Zypressensommer

Erstellt am 7.5.25. Kategorie: Buchrezensionen
„Zypressensommer“
von Teresa Simon
Bewertung
★★★★★
Verlag Rowohlt
Buchform kartoniert, E-Book
Erschienen Mai 2025
Seiten 448
Erhältlich beigenialokal.de

Ich denke noch immer sehr, sehr gerne an unseren Toskana-Urlaub im vergangenen Jahr zurück und allein schon deshalb war meine Freude groß, als ich erfuhr, dass eine meiner Lieblingsautorinnen an einem Buch schreibt, das in der Toskana spielt. Schon in den vergangenen Monaten postete Teresa Simon (hinter diesem Pseudonym steckt die Autorin Brigitte Riebe) in den Sozialen Medien immer wieder herrliche Fotos von der zauberhaften Landschaft der Toskana, die meine Vorfreude auf das Buch immer weiter steigerten.

Aber Achtung! In „Zypressensommer“ geht es nicht nur um Sommer, Sonne und Dolce Vita, sondern um weitaus ernstere, schmerzvollere Themen. Behandelt wird darin nämlich die Geschichte Italiens und der Toskana im Zweiten Weltkrieg.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: Im Jahr 1998 reist die Protagonistin Julia aus Hamburg in die Toskana. Kurz zuvor ist ihr geliebter Großvater Gianni Conti gestorben, der in Hamburg mit seiner deutschen Frau ein Feinkostgeschäft geführt hat. Auf dem Sterbebett hat er Julia ein Vermächtnis aufgetragen, weswegen sie nun in das toskanische Dorf Lucignano reist, Giannis Heimat, von der er seiner Familie gegenüber aber nie gesprochen hat. Dort begibt sich Julia auf Spurensuche und begegnet durch Zufall dem jungen Matteo Conti – ist es Zufall, dass er denselben Nachnamen trägt wie Julias Großvater? Doch der Name Conti ist nicht gerade selten in Italien und weder Matteo noch seine Familie kennen einen Vorfahr namens Gianni.

Parallel dazu wird von Giannis Schicksal im Jahr 1943 erzählt: Nachdem Italien gegenüber den Alliierten kapituliert hat, wurden viele italienische Soldaten von der deutschen Wehrmacht gefangen genommen und als italienische Militärinternierte (sog. IMI) nach Deutschland verfrachtet, wo sie unter menschenunwürdigen Verhältnissen leben und arbeiten mussten. Das Schicksal vieler IMI war um keinen Deut besser als das von anderen Kriegsgefangenen oder gar KZ-Häftlingen.

Gianni jedoch hat Glück, denn er arbeitet in einer Fischräucherei, wo sich die Tochter des Inhabers in ihn verliebt. Zwar sind Beziehungen zwischen Deutschen und IMIs strengstens verboten, es drohen KZ-Haft oder sogar die Todesstrafe. Doch Gianni und Marieke überleben den Krieg und die Nazi-Herrschaft und können sich ein gemeinsames Leben in Hamburg aufbauen.

Niemand in Giannis Hamburger Familie ahnt von seinen Angehörigen in der Toskana, erst recht nicht von Giulia, Giannis erster großer Liebe. Die hat sich inzwischen der Resistenza angeschlossen, dem Widerstand gegen die Wehrmacht. Gerade den Frauen kommt dort eine sehr wichtige, aber auch sehr gefährliche Rolle zu. All das erfahren Julia und Matteo Stück für Stück bei ihrer Spurensuche, die sie unter anderem nach Civitella nahe Arezzo führt. Dort spielte sich am 29. Juni 1944 ein schreckliches Massaker mit über 200 Toten ab, für das die deutsche Wehrmacht verantwortlich war.

Beim Lesen habe ich sehr viel über diesen Teil der deutsch-italienischen Geschichte gelernt. Von der Resistenza hatte ich vor vielen Jahren schon mal in einem anderen Roman gelesen, doch viele Zusammenhänge waren mir bisher nicht klar, zumal das im Geschichtsunterricht in der Schule nie ein Thema war. Deshalb war ich auch sehr dankbar für die ausführlichen Erläuterungen im Nachwort dieses Romans.

Mit den Figuren im Buch (fiktiv, aber an tatsächliche Personen und Ereignisse angelehnt) habe ich die ganze Zeit über mitgebangt und mitgelitten. Doch trotz aller Gräuel dieser schrecklichen Zeit kommt dank des Erzählstranges, der 1998 spielt, auch das oben genannte Dolce Vita nicht zu kurz. Julia genießt auf ihrer Reise viel gutes Essen und die herrliche toskanische Landschaft mit ihren Olivenhainen und den typischen Zypressenalleen, die dem Roman zu seinem Namen verholfen haben. Ein wenig Amore darf natürlich auch nicht fehlen und im Anhang gibt es obendrein jede Menge leckerer Rezepte für typisch toskanische Gerichte.

So war dieses Buch für mich eine sehr spannende, bewegende, informative und unterhaltsame Lektüre, die noch lange nachhallen wird. Brigitte Riebe / Teresa Simon versteht es einfach, historische Ereignisse in ihren Romanen so zu verpacken, dass man die Bücher förmlich verschlingt und nicht mehr weglegen kann. Ganz große Leseempfehlung!

„Zypressensommer“ erscheint am 13. Mai offiziell in der Printausgabe, das E-Book ist jedoch schon seit dem 1. Mai erhältlich.

Und noch eine persönliche Nachbemerkung: Morgen, am 8. Mai, jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Es leben nur noch wenige Zeitzeugen, umso wichtiger sind meines Erachtens Romane wie dieser, die uns alle an die Schrecken dieser Zeit erinnern und zum Frieden mahnen. Gerade jetzt, wo Antisemitismus, Rassismus und rechtsnationales Gedankengut nicht zuletzt wegen der AfD wieder auf dem Vormarsch sind, muss die Erinnerung an die Geschehnisse dieser Zeit wach gehalten werden. #NieWiederIstJetzt.

[Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]