Zurück zu ihr – ein spannendes Gemeinschaftsprojekt von sechs Autorinnen

Erstellt am 2.11.15. Kategorie: Buchrezensionen
„Zurück zu ihr“
von Elke Becker & Joleen Carter & Johanna Danninger & Babsy Tom & Greta Milán & Ramona Seidl
Bewertung
★★★★★
Verlag tolino media
Buchform eBook
Erschienen August 2015
Erhältlich beiBuchladen Vaterstetten

Hierbei handelt es sich streng genommen nicht um einen Roman, sondern gleich um acht, geschrieben von sechs verschiedenen Autorinnen. Was sich wie ein roter Faden durch alle Geschichten zieht, ist eine Taschenuhr mit der Inschrift „Unüberwindbar scheint die Zeit, doch die Liebe ist stärker“.

München, 1943: In der ersten Geschichte bekommt Charlotte, Mitglied der Widerstandsgruppe „Weißen Rose“, die Uhr von ihrem Vater geschenkt. Als Sophie Scholl und ihre Mitstreiter verhaftet werden, müssen Charlotte und ihr Verlobter Georg fliehen. Sie gelangen nach Südtirol, wo Georg sich den dortigen Partisanen anschließt. Vor einer der waghalsigen Aktionen, die Georg dort mit seinen Freunden plant, offenbart Charlotte ihm, dass sie schwanger ist. Als Glücksbringer schenkt sie ihm die Uhr. Doch Georg stirbt.

Die nächste Geschichte spielt Mitte der 1950er Jahre im italienischen Positano. Hier verliebt sich Valentina in den deutschen Touristen Paul und schenkt ihm als Andenken die Taschenuhr, die ihr Vater einst auf dem Boden eines Bootes fand. Zurück in München, muss Paul die Uhr verkaufen, um sich das Benzin für die nächste Reise zu Valentina leisten zu können.

Die Uhr gehört nun einem Gemischtwarenhändler, der nach dem Tod seiner Frau immer verbitterter wird und seine Tochter Maria so sehr kontrolliert, dass diese schließlich von zu Hause ausreißt. Im Jahre 1964 streift sie mittellos durch München. Als sie hungrig einen Apfel stiehlt und dabei erwischt wird, hilft ihr der amerikanische Geschäftsmann John. Er fühlt sich zu Maria hingezogen und hilft ihr, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Vor seiner Rückkehr in die USA schenkt Maria ihm das einzig Wertvolle, was sie besitzt: die Taschenuhr, die sie zuvor ihrem Vater entwendet hatte.

John gibt die Uhr an seinen Bruder weiter, der das mittlerweile schon arg ramponierte Schmuckstück liebevoll pflegt und repariert. 1965 ist dieser Bruder auf Kuba stationiert und schenkt die Taschenuhr einem kubanischen Arbeiter als Belohnung für gute Dienste. Dieser wiederum gibt die Uhr an seinen Sohn Ricardo weiter, der ein Studienstipendium für die DDR erhalten hat. In Berlin verliebt Ricardo sich in Margit. Sie verleben eine wundervolle Zeit miteinander und schließlich wird Margit schwanger. Doch Ricardos Stipendium läuft ab, er muss zurück nach Kuba. Und Margit bekommt zwar eine Ausreisegenehmigung für sich selbst, nicht aber für ihre kleine Tochter. Schweren Herzens muss das Paar sich trennen. Als Zeichen seiner Liebe schenkt Ricardo Margit die Taschenuhr.

17 Jahre später, im Jahre 1986, macht Margits Tochter Tamara Urlaub am ungarischen Plattensee. Dort verliebt sie sich unsterblich in einen „Wessi“, doch noch ist der Eiserne Vorhang unüberwindbar, ihre Liebe scheint aussichtslos. Beide versuchen, den jeweils anderen zu vergessen, doch es gelingt ihnen nicht. Und dann kommt der 9. November 1989. Im Gedränge am Grenzübergang Bornholmer Straße entreißt ein Dieb Tamara die Handtasche – und die darin befindliche Taschenuhr, das einzige Andenken, das Tamara an ihren Vater hat, den sie nie kennenlernen durfte.

1995 in Berlin: Jahrelang lag die erbeutete Taschenuhr unbeachtet in einem Schuhkarton, bis der damalige Taschendieb sie seinem Kumpel Kai gibt, um damit seine Schulden zu begleichen. Kai hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, unter anderem betätigt er sich als Hundesitter. Als einer seiner vierbeinigen Schützlinge krank wird, braucht Kai dringend einen Tierarzt und gerät so an Sarah, die dem Hund zwar sofort hilft, aber auf eine Bezahlung verzichten muss, denn Kai ist pleite. Stattdessen schlägt er ihr vor, ihre Praxis zu renovieren. Sarah geht auf den Handel ein und erhält als Pfand die Taschenuhr. Kai hält Wort und im Laufe der Renovierungsarbeiten kommen er und Sarah sich langsam näher. Doch dann wird Kai von seiner kriminellen Vergangenheit eingeholt. Traurig schenkt Sarah die Taschenuhr ihrer kleinen Nachbarstochter Jenny.

2007 schenkt Jenny die Uhr ihrem Bruder Marc, als der von Berlin nach Stuttgart zieht. Dort hofft er, seinen Traum verwirklichen zu können: Er möchte von seiner Musik leben können. Doch dieser Traum scheint sich nicht zu erfüllen, Marc tingelt als Straßenmusiker durch die Gegend – sehr zum Missfallen seiner Freundin Nadine, die sich nach Sicherheit, einer Hochzeit und nach Kindern sehnt. Die Beziehung scheint zu zerbrechen, doch Nadine zuliebe nimmt Marc schließlich einen festen Job an und beschließt, seine Musik fortan nur noch als Hobby zu betrachten. Aber kurz bevor er Nadine diese Neuigkeiten mitteilen kann, geschieht ein schreckliches Unglück.

Wenige Wochen später besucht die zutiefst verstörte Nadine ihre Urgroßmutter Charlotte. Im Gepäck hat sie die Taschenuhr, die sie an Marc erinnert. Doch Charlotte erkennt in dem Schmuckstück die Uhr wieder, die sie vor über 60 Jahren ihrem Verlobten Georg übergeben hatte…

„Zurück zu ihr“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Autorinnen Elke Becker, Joleen Carter, Johanna Danninger, Greta Milán, Ramona Seidl und Babsy Tom. Ich habe dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite regelrecht verschlungen. Viele der Geschichten ließen mich nachdenklich zurück und gerne hätte ich gewusst, wie es mit den Protagonisten weitergeht: Was wurde aus Charlotte und ihrem Baby? Sind Valentina und Paul wirklich glücklich miteinander geworden? Hat Maria ihr Leben wieder auf die Reihe bekommen? Und hat sie John irgendwann wiedergesehen? Was wurde nach der Wende aus Ricardo und Margit, fanden sie schlussendlich doch noch zueinander? Und konnte Tamara endlich ihren Vater kennenlernen? Was wird aus Sarah und Kai? Wird Kai doch noch seriös und kann Sarah ihre Tierarztpraxis retten? Wie ergeht es Jenny? Und wird Nadine nach Marcs Tod wieder glücklich werden?

All diese Fragen bleiben unbeantwortet, oder besser: sie bleiben der Fantasie des Lesers überlassen. Kein Buch, das man weglegt und einfach so abhakt. Die Grundidee mit der Taschenuhr als Aufhänger für alle acht Geschichten fand ich sehr charmant und von den verschiedenen Autorinnen sehr stimmig umgesetzt. Leider ist das Werk bislang nur als eBook erschienen, doch von mir gibt es dafür eine ganz klare Kaufempfehlung.