Das Mitternachtsversprechen

Erstellt am 3.1.17. Kategorie: Buchrezensionen
„Das Mitternachtsversprechen“
von Mascha Vassena
Bewertung
★★★★★
Verlag Piper
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen September 2016
Seiten 315
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Eine verschwundene Schwester, ein Kaffeehaus in Turin und ein Familiengeheimnis – das sind die Zutaten für diesen überaus spannenden Roman, den ich in kürzester Zeit verschlungen habe. Schon der Prolog hat mich in seinen Bann gezogen. Das Buch beginnt nämlich mit diesen Worten: „Sie wussten, dass sie nicht vom Weg abweichen durften. Wenn das Moor einen verschluckte, verschwand man auf Nimmerwiedersehen, so hatte Mutter es ihnen erklärt. Nimmerwiedersehen. Das Wort jagte Vera einen leichten Schauer über die Unterarme.“

Vera ist noch ein kleines Mädchen, als ihre Zwillingsschwester Viola spurlos verschwindet – anders, als die ersten Sätze des Prologs vermuten lassen könnten, handelt es sich dabei aber nicht um einen Unfall im Moor, vielmehr verschwindet Viola auf dem Heimweg, ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt und auch eine groß angelegte Suche mit Hilfe der Polizei führt zu keinem Ergebnis. Das hinterlässt natürlich Spuren bei der Familie, insbesondere bei Vera selbst, die sich die Schuld an Violas Verschwinden gibt und auch als Erwachsene noch mit diesem Trauma kämpft. Inzwischen selber Mutter, fällt es ihr schwer, loszulassen und ihren Sohn auch einmal seine eigenen Erfahrungen machen zu lassen. Ein Problem, das letztlich auch mit verantwortlich ist für das Scheitern ihrer Ehe.

Eines Tages entdecken Vera und ihre Mutter zufällig ein altes Foto, das Veras Großmutter Teresa zusammen mit ihren beiden Schwestern zeigt. Das jedoch sorgt bei Vera und ihrer Mutter für große Verwunderung, denn bislang wussten sie nur von einer Schwester, nämlich Lidia. Doch die Beschriftung auf der Rückseite des Fotos besagt eindeutig, dass es da auch noch eine dritte Schwester Aurora gegeben haben muss. Nie haben Teresa oder Lidia von ihr gesprochen. Was ist mit ihr geschehen?

Teresa ist mittlerweile verstorben, aber Lidia lebt noch immer in Turin, der Heimatstadt der drei Schwestern. Dort führt sie zusammen mit ihrem Sohn das berühmte „Caffè Molinari“, eine Institution in Turin und seit Generationen in Familienbesitz. Kurz entschlossen reist Vera nach Turin, um vor Ort mehr über die verschollene Schwester ihrer Großmutter zu erfahren. Doch Lidia hüllt sich in Schweigen und bald bringen Veras Neugier und ihre Hartnäckigkeit sie in tödliche Gefahr.

Das Buch spielt auf drei Zeitebenen: Die Gegenwart, in der Vera eine erwachsene Frau ist, dann Veras Kindheit und Jugend, in der sie versucht, mit dem Verschwinden ihrer Zwillingsschwester fertig zu werden, und als dritte Zeitebene die Jugend von Teresa, Lidia und Aurora kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als die drei Schwestern das Kaffeehaus in Turin wieder aufbauen. Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, das nächste Kapitel spielt wieder in einer anderen Zeitebene. Das macht das Buch so unglaublich spannend, dass ich es kaum noch weglegen konnte, bevor ich nicht endlich erfahren hatte, wie die Geschichte ausgeht. Zudem ist der Roman sehr einfühlsam geschrieben, ich konnte mich sehr gut in Vera und ihre Ängste hinein versetzen.

Fazit: Wer gut geschriebene Familiengeschichten mit einer gehörigen Portion Spannung plus Lokalkolorit mag, der wird dieses Buch lieben!

Apropos Lokalkolorit: So ganz nebenbei macht der Roman Lust darauf, Turin zu entdecken – und Kaffeehäuser! Durch Zufall habe ich bei der Münchner Bücherschau im vergangenen Herbst diesen prachtvollen Bildband von Adonis Malamos entdeckt und mich gleich in die wunderschönen Abbildungen verliebt:

Dieser Bildband eignet sich ganz hervorragend dazu, bei einer schönen Tasse Kaffee von der nächsten Reise zu träumen, bei der dann ein Besuch in einem der vorgestellten Cafés auf gar keinen Fall fehlen sollte. Auch aus Turin sind etliche Kaffeehäuser mit dabei, u.a. das Café Mulassano, das die Autorin Mascha Vassena zu ihrem Roman „Das Mitternachtsversprechen“ inspiriert hat. Ich habe mir diesen wunderbaren Bildband zu Weihnachten gegönnt.