„Die Malerin“ | |
von Mary Basson | |
Bewertung
★★★★☆
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Verlag | Aufbau Verlag |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | Dezember 2017 |
Seiten | 448 |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Im Münchner Lenbachhaus findet zur Zeit eine Sonderausstellung über die Künstlerin Gabriele Münter statt, die ich mir unbedingt ansehen will, zumal ich 2015 dort bereits in einer sehr gelungenen Ausstellung über August Macke und Franz Marc war, die wie Münter der Künstlergruppe „Der blaue Reiter“ angehörten.
Da traf es sich wirklich hervorragend, dass nun ein Roman über Gabriele Münter in deutscher Übersetzung erschienen ist (das amerikanische Original „Saving Kandinsky“ stammt von 2013). Dieses Buch ist nicht nur die optimale Vorbereitung auf die Ausstellung, sondern auch für sich genommen ein sehr bewegender Roman über eine mutige Frau in schwierigen Zeiten.
Als 25-Jährige trifft Gabriele Münter im Jahr 1902 zum ersten Mal auf den bereits bekannten Wassily Kandinsky. Er ist ihr Lehrer in der Münchner Malschule „Phalanx“. Was als Backfisch-Schwärmerei beginnt, wird von Kandinsky mit einigen Küssen und Komplimenten befeuert. Umso verstörter ist Gabriele, genannt Ella, als sie erfährt, dass Kandinsky verheiratet ist. Überstürzt verlässt sie München und die Malklasse, kommt aber nach wenigen Monaten zurück. Denn Malen ist ihr Leben, ein bürgerliches Dasein als Ehefrau und Mutter, die nur hobbymäßig den Pinsel schwingt, kann sie sich nicht vorstellen.
Als Kandinsky ihr versichert, sich inzwischen von seiner Frau getrennt zu haben und die Scheidung anzustreben, lässt sich Ella auf eine Beziehung mit dem deutlich älteren Mann ein. Das Paar lebt abwechselnd in München und in Murnau, wo sie viele Künstlerfreunde empfangen, darunter Franz Marc und Alexej Jawlensky, die später ebenfalls dem „Blauen Reiter“ angehören werden.
Doch als Frau in der Kunstwelt hat Ella es schwer, sie leidet darunter, meist nur als Anhängsel des berühmten Kandinsky gesehen zu werden. Dazu kommt ihr „g’schlampertes Verhältnis“, das vor allem in Murnau nicht gern gesehen wird. So trägt ihr Wohnhaus nicht nur den Beinamen „Russenhaus“, weil dort viele russischstämmige Künstler ein und aus gehen, sondern es wird auch abfällig „Hurenhaus“ genannt. Ella hofft darauf, dass Kandinsky sie heiratet und mit ihr eine Familie gründet, doch die Scheidung zieht sich hin. Das belastet die Beziehung sehr, immer häufiger kommt es zum Streit zwischen den beiden Künstlern.
Dann bricht 1914 der Erste Weltkrieg aus. Kandinsky flieht nach Moskau und Ella wartet vergeblich auf ein Lebenszeichen. Erst 1921 erfährt sie, dass der inzwischen Totgeglaubte noch am Leben ist und mittlerweile eine andere geheiratet hat. Das führt bei Ella zum totalen Zusammenbruch. Sie flieht zu ihrer Schwester nach Berlin und begibt sich auf deren Drängen hin in psychiatrische Behandlung.
Über seinen Anwalt fordert Kandinsky von Münter die Herausgabe seiner persönlichen Besitztümer und Kunstwerke, die sich noch in Murnau und München befinden. Ella verweigert dies, möchte noch einmal ein persönliches Gespräch. Dazu jedoch ist Kandinsky nicht bereit. So verbleiben seine Werke vorerst bei seiner früheren Lebensgefährtin.
Silvester 1927 lernt Ella den Journalist und Kunsthistoriker Johannes Eichner kennen. Ganz allmählich wird aus den beiden ein Paar, gemeinsam ziehen sie zurück in Ellas Haus nach Murnau. Mittlerweile hat das Schreckensregime des Nationalsozialismus begonnen. Während Münter selbst verschont bleibt, werden die Werke von Kandinsky und vielen befreundeten Künstlern zur entarteten und degenerierten Kunst erklärt. In einer beispiellosen Rettungsaktion gelingt es Ella und Johannes Eichner, die Kunstwerke, die sich noch in Ellas Besitz befinden, nach Murnau zu schaffen und dort vor den Nazis zu verstecken. In den 1950er Jahren gründen die beiden eine Stiftung und übergeben die Kunstwerke an das Münchner Lenbachhaus, wo sie bis heute zu bewundern sind.
Nach einem etwas schleppenden Anfang, den man meiner Meinung nach noch hätte straffen können, fand ich dann doch schnell in die Geschichte hinein und konnte das Buch vor allem gegen Ende, als es um die Rettung der Kunstwerke ging, kaum noch weglegen. Der Untertitel „Die Kunst war ihr Leben – Kandinsky ihr Schicksal“ fasst die Geschichte hervorragend zusammen. Ein wirklich bewegendes Frauenschicksal, das mir in der Ausstellung sicher einen noch intensiveren Blick auf ihre Werke ermöglichen wird. Schönes Extra: Zwischen den einzelnen Kapiteln werden ausgesuchte Kunstwerke von Münter und Kandinsky vorgestellt, die Besprechungen stammen jeweils von Münters Lebensgefährten Johannes Eichner.
Während der Lektüre hatte ich das Bedürfnis, mich noch ein wenig eingehender über die Künstler, die im Buch vorkommen, zu informieren. Wie gut, dass ich nach der Ausstellung 2015 bereits folgendes Buch gekauft hatte (erhältlich bei AP Buch Baldham und Buchladen Vaterstetten):
Dieses Sachbuch finde ich wirklich sehr gelungen. Es beschreibt ausführlich die Anfänge des „Blauen Reiters“, setzt sie auch in einen Kontext zu den damaligen politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen. Natürlich geht es ausführlich auf die bekanntesten und auch etliche weniger bekannten Kunstwerke der Gruppe ein. Je ein Kapitel ist den einzelnen Mitgliedern der Künstlergruppe gewidmet (Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Franz Marc, August Macke, Alexej Jawlensky, Marianne Werefkin), ein weiteres Kapitel erzählt von den (unglücklichen) Liebesbeziehungen der Künstlerpaare Wassily Kandinsky/Gabriele Münter, Franz Marc/Maria Franck und Alexej Jawlensky/Marianne Werefkin. Und selbstverständlich wird auch Münters Verdienst um die Rettung der Kunstwerke vor den Nazis ausführlich gewürdigt. Alles in allem war dieses Sachbuch für mich eine hervorragende Ergänzung zum Roman.
Nachtrag:
Im Sommer 2018 konnte ich mir endlich einen langgehegten Wunsch erfüllen: Wir machten einen Tagesausflug ins Blaue Land, der uns zunächst nach Kochel zum Franz-Marc-Museum und dann weiter nach Murnau führte, wo wir uns unter anderem das Gabriele-Münter-Haus ansahen.