Romanspaziergang mit Heidi Rehn

Erstellt am 11.6.18. Kategorie: Dies & Das

Kürzlich habe ich ja das Buch „Der Himmel über unseren Träumen“ von Heidi Rehn gelesen, das mir sehr gut gefallen hat. Nun war es endlich soweit und ich konnte auch an einem der von ihr angebotenen Streifzüge teilnehmen, bei denen sie Interessierte auf den Spuren ihrer Romane durch München führt.

Bei bestem Sommerwetter trafen sich etwas über 20 Teilnehmer am Münchner Stachus, darunter nicht nur meine Freundin Miriam und ich, sondern auch Heidi Rehns Autorenkolleginnen Julia Fischer mit Tochter und Nicole Walter mit Mann. Am Stachus waren wir auch genau richtig, um einen Blick auf den Kaufhof zu erhaschen, einen Kaufhausbau aus den 1950er Jahren. Ich darf hierzu ein kurzes Stück aus dem Roman von Heidi Rehn zitieren: „In rekordverdächtigen achtundzwanzig Wochen war er vor drei Jahren errichtet worden. Die schlichte Fassade wie auch die klar gegliederte Anlage der verschiedenen Gebäudekörper waren der Inbegriff der Moderne. Ganz bewusst verzichtete sie auf jeglichen historisierenden Putz oder verspielte Formelemente. Damit knüpfte die derzeitige Architektur wieder an das an, was vor der unseligen Zeit der Nationalsozialisten im Kommen gewesen war: demokratisches, in die Zukunft gerichtetes Bauen. Die klare Formensprache, die an den schmucklosen, möglichst transparent gestalteten Gebäuden zum Tragen kam, war die einzige Möglichkeit, den Willen zum Neubeginn für alle Welt sichtbar zu unterstreichen.“

Vom Stachus führte uns die Tour durch die Herzog-Max-Straße, vorbei am Denkmal, das dort an den Standort der Alten Hauptsynagoge erinnert, die im Juni 1938 zerstört wurde. Der Abriss hat sich also gerade zum 80. Mal gejährt. Von dort ging es weiter zur gegenüberliegenden Maxburg, der früheren Herzog-Max-Burg oder Wilhelminischen Veste. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, wurde sie zu der Zeit, in der der Roman spielt, wieder aufgebaut und beherbergt heute Geschäfte, Cafés und Büros von Justizbehörden.

Von dort gingen wir weiter zum Nationaltheater, wo Vera, die Protagonistin des Romans, als kleines Mädchen zusammen mit ihren jüdischen Großeltern eine Aufführung erlebt – zu einer Zeit, als Juden der Besuch der Oper eigentlich schon gar nicht mehr erlaubt war. Vorbei an Residenz und Theatinerkirche führte unser Weg weiter zum Hofgarten.

Vom nordöstlichen Ende des Hofgartens hatten wir quer über den Altstadtring hinweg einen guten Blick auf das Haus der Kunst, das heute dank der davor gepflanzten Baumreihe nicht mehr ganz so wuchtig und gewaltig wirkt wie zur Hitlerzeit. Vera erzählt im Roman folgendes über das Bauwerk (Zitat): „Großmama hat sich furchtbar über den pompösen Säulengang auf der Südseite mokiert. (…) Hoch erhobenen Hauptes sind meine Großeltern kurz nach Eröffnung in Hitlers Ausstellung ›deutscher Kunst‹ marschiert. Die war Juden natürlich verboten. ›Wenn dort echte deutsche Kunst gezeigt wird, sollten doch eigentlich gerade die sie sehen, die angeblich keine Ahnung davon haben‹, hat Großmama gesagt. Dass in Hitlers einstigem ›Tempel deutscher Kunst‹ genau das gezeigt wird, was die Nazis als ›entartet‹ bezeichnet haben, wäre eine große Genugtuung für sie.“

Wie Heidi Rehn uns berichtete, überstand der Bau dank geschickter Tarnung den Zweiten Weltkrieg, wurde danach von den amerikanischen Besatzungsmächten als Kasino genutzt und bald schon fanden hier, wie im Roman beschrieben, auch die ersten Faschingsbälle statt. Heute werden dort wieder Ausstellungen gezeigt – und zwar ganz bewusst von Kunstwerken, die im Nationalsozialismus als „entartet“ gegolten hätten. Ich persönlich finde, besser kann man das Gebäude gar nicht nutzen und keinen würdigeren Kontrapunkt zu seinen unrühmlichen Anfängen setzen.

Zwei Stunden lang hat Heidi Rehn ihre ZuhörerInnen in ihren Bann gezogen, wusste viele Details zu berichten und mit alten Fotos zu untermalen. Man merkte ihr an, wie gründlich sie recherchiert hat und mit wie viel Herzblut sie stets bei der Sache ist. Dies war nun mein dritter Romanspaziergang mit der Autorin und ganz bestimmt nicht mein letzter, denn bei diesen Streifzügen lerne ich jedes Mal neue Facetten meiner Heimatstadt kennen und das auf äußerst unterhaltsame, interessante Weise.

Nach diesem „offiziellen Teil“ machten wir noch einige Fotos und gingen dann in kleiner Runde in den Biergarten im Hofgarten, wo wir uns auch von ein paar wenigen Regentropfen (die eh kaum der Rede wert waren) die gute Laune nicht verderben ließen. Fazit: Es hat wieder unglaublich viel Spaß gemacht und ich kann sowohl die Romane als auch die Streifzüge von Heidi Rehn jedem nur wärmstens ans Herz legen.