Suppenbrunzer

Erstellt am 25.5.19. Kategorie: Buchrezensionen
„Suppenbrunzer“
von Nicole Lingen
Bewertung
★★★★★
Verlag Emons
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen April 2019
Seiten 320
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Wisst Ihr, was ein Suppenbrunzer ist? Ich wusste es ehrlich gesagt nicht, bis ich dieses Buch gelesen habe. Eigentlich heißt der Suppenbrunzer Heilig-Geist-Kugel und ist eine Glaskugel, die zu Pfingsten in der guten Stube aufgehängt wird. Im Innern der Kugel befindet sich eine geschnitzte Taube als Symbol für den Heiligen Geist. Warum diese Kugel, ein Stück Volkskunst aus dem Bayerischen Wald, jedoch Suppenbrunzer genannt wird, das erklärt die Webseite Regiowiki sehr schön.

Solch ein Suppenbrunzer begrüßt auch Sophia in ihrem neuen Zuhause in Bogen im Bayerischen Wald. Sophia Alvarez ist alleinerziehende Mutter zweier Kinder, für die sie leider viel zu wenig Zeit hat, denn ihr Job bei der Münchner Mordkommission ist stressig und belastend. Dennoch bricht für sie eine Welt zusammen, als die Kinder ihr eröffnen, dass sie künftig lieber beim Vater leben möchten.
Ein Ausraster im Dienst – und schon wird Sophia strafversetzt in den Bayerischen Wald. Ausgerechnet! Denn dort ist Sophia mit ihrer bayerischen Mutter und ihrem portugiesischen Vater aufgewachsen. Nach einem schlimmen Vorfall hat sie als junges Mädchen bei Nacht und Nebel ihre Heimat verlassen und ist seitdem nie mehr dorthin zurückgekehrt. Nun aber bleibt ihr keine andere Wahl.

Noch bevor sie ihren Dienst antritt, wird sie am Vorabend von Pfingsten Zeugin eines schrecklichen Vorfalls: Lilli, ein junges Mädchen aus Bogen, verbrennt lichterloh. War es ein Unfall? Suizid? Oder gar Mord? Sophia spürt sofort, dass es hier einige Ungereimtheiten gibt, doch Zöpfl, ihr neuer Vorgesetzter, geht davon aus, dass Lilli sich aus Liebeskummer das Leben genommen hat und sieht keinen Anlass, weiter zu ermitteln. Also beginnt Sophia auf eigene Faust nachzuforschen – und macht sich dabei nicht nur in ihrer neuen Dienststelle höchst unbeliebt. Auch bei den Bewohnern von Bogen stößt sie auf eine Mauer des Schweigens. Und bald wird klar: Hier wird noch einiges mehr unter den Teppich gekehrt als nur die Ursache für Lillis Tod. Denn einige Dorfbewohner haben ganz offensichtlich Dreck am Stecken und es gab zuvor schon einmal ein totes Mädchen. Am Ende muss Sophia um das kämpfen, was ihr im Leben das Liebste ist und sich außerdem ihrer eigenen Vergangenheit stellen, um endlich ihren Frieden machen zu können.

Dieser Krimi hat mich von der ersten Seite an gepackt. Zwar war mir Sophia anfangs nicht unbedingt sympathisch: Gehetzt, impulsiv und ungeduldig, wie sie nunmal ist, macht sie es ihren Mitmenschen nicht unbedingt leicht. Aber sie hat das Herz am rechten Fleck und ist nicht nur eine liebevolle Mutter, sondern hat überhaupt viel Empathie und ein großes Verständnis für Jugendliche, was ihr bei ihren Ermittlungen zugute kommt. Die Atmosphäre in diesem Krimi ist düster und mysteriös, so wie die Einheimischen auch eher verschlossen und wortkarg sind, vor allem Fremden gegenüber. Dadurch wird eine solche Spannung aufgebaut, dass ich das Buch einerseits kaum mehr weglegen konnte, andererseits aber ab und an ganz bewusst eine Pause einlegen musste, um wieder aufzutauchen aus dieser beklemmenden Stimmung. Ein echter Pageturner, in dem viele ernste Themen angeschnitten werden, so dass die Lektüre hinterher noch lange nachhallt. Ganz klare Leseempfehlung, nicht nur zu Pfingsten!