WHAM! George & ich

Erstellt am 7.12.19. Kategorie: Buchrezensionen
„WHAM! George & ich“
von Andrew Ridgeley
Bewertung
★★★★☆
Verlag HarperCollins
Buchform gebunden, eBook
Erschienen Dezember 2019
Seiten 318
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Musikalisch betrachtet bin ich ein Kind der 80er, denn meine Teenagerjahre fielen genau in dieses Jahrzehnt. Einige Modesünden dieser Ära habe ich zum Glück ausgelassen – mangels Taschengeld, das ich lieber für Schallplatten als für Klamotten ausgab. Nie mehr danach habe ich mich so intensiv mit Musik auseinandergesetzt wie in dieser Zeit. Noch heute kann ich etliche Songtexte von damals auswendig mitsingen, Duran Duran sind noch immer meine Lieblingsband und auch Wham! habe ich damals gerne gehört. George Michael, dessen Tod sich am 25. Dezember zum dritten Mal jährt, vermisse ich musikalisch noch immer.

Deshalb hat mich diese Biografie von Andrew Ridgeley, der zusammen mit George Michael das Duo Wham! bildete, auch sofort interessiert. Er erzählt darin die Geschichte der Band, die begann, als 1975 ein gewisser Georgios Panagiotou als neuer Schüler in die Bushey Meads School kam, die auch Andrew Ridgeley besuchte. Die beiden Dreizehnjährigen freundeten sich sofort an – es sollte eine Freundschaft fürs Leben werden. Wenige Jahre später beschlossen sie, eine Band zu gründen. Was ich dabei erstaunlich fand: In der öffentlichen Wahrnehmung war George Michael immer der Präsentere, Andrew Ridgeley hingegen eher eine Art Anhängsel. Doch zumindest in den Anfangsjahren war Andrew die treibende Kraft, denn er strotzte nur so vor Selbstvertrauen, während Georgios – oder Yog, wie Andrew ihn nannte – sehr gehemmt war wegen seiner pummeligen Figur und der dicken Brille.

Nichtsdestotrotz erkannte Andrew schon früh, welch immenses musikalisches Talent in seinem Freund steckte und er tat sein Bestes, um Yog selbst auch davon zu überzeugen – sehr zum Missfallen von Georgios’ Eltern, die eigentlich andere Pläne für ihren Sohn hatten. Auf jeden Fall konnten Yog und Andy von Anfang an bestens zusammenarbeiten, sie verstanden einander ohne viele Worte. Zitat: „George hegte zwar kaum Zweifel daran, dass Musik seine Bestimmung war, aber er hatte noch nicht das nötige Selbstvertrauen, diesen Traum Realität werden zu lassen. (…) Ich zweifelte nicht an meinen Fähigkeiten. Später schaffte ich es zwar nicht, gegen Georges Talent anzustinken, aber was schieres, unerschütterliches Selbstvertrauen anging, war ich ihm um Lichtjahre voraus. Von Anfang an stand jedoch fest, dass wir beide sehr gut zusammenarbeiteten, und ich war überzeugt davon, dass wir noch was schaffen, es zu was bringen würden.“

Nun ja, dass sie es tatsächlich noch zu etwas gebracht haben, ist bekannt. Interessant ist der Weg dorthin, der geprägt war von einer Zielstrebigkeit, wie sie für zwei so junge Burschen von 17, 18 Jahren doch eher ungewöhnlich ist. Auf unterhaltsame Weise erzählt Andy von Wham!s Werdegang und von den Geschichten hinter den Songs, so auch von der Entstehung von „Last Christmas“, das George einst in seinem alten Kinderzimmer geschrieben hat. Tatsächlich ist dies bis heute der meistverkaufte Song der Band, obwohl er niemals Platz 1 der Hitparaden erreicht hat. Warum? Nun, zeitgleich erschien „Do They Know It’s Christmas“ von Band Aid. Warum Andy es im Gegensatz zu George verpasst hat, bei dieser Benefiz-Single dabei zu sein, erzählt er mit entwaffnender Ehrlichkeit.

Amüsant fand ich auch seine Schilderungen vom Videodreh zu „Last Christmas“: Die Szenen in dem verschneiten Chalet in den Bergen wurden mit echten Freunden der Band gedreht. Für diese Freunde war das ein höchst willkommener Gratisurlaub, den die meisten aber nur im Alkohldunst erlebten.

Apropos Freunde: Das ganze Buch ist eine wunderbare Hommage an die Freundschaft der beiden, auf jeder Seite wird deutlich, wie sehr Andy Yog als Freund geliebt und geschätzt hat und deshalb auch leichten Herzens selbst zurückstecken konnte. Den zunehmenden Zwiespalt zwischen der Privatperson Georgios und dem Popstar George Michael, der, wie sich später herausstellen sollte, in Bezug auf seine Sexualität jahrelang ein Doppelleben geführt hat, konnte allerdings auch Andy nicht überbrücken. Zitat: „Mein bester Freund bestand im Grunde aus zwei unterschiedlichen Personen: vor Wham! und danach. Aus dem Schuljungen, den ich als Dreizehnjährigen kennengelernt hatte, der mein bester Freund werden sollte (…), wurde George Michael, die Kunstfigur, die er erschaffen hatte.“

Neu war mir, dass sowohl George als auch Andy Wham! von Anfang an als eher kurzlebiges Projekt sahen und deshalb, als sie all ihre Ziele erreicht hatten, auch relativ leichten Herzens Abschied nehmen konnten von ihrer Karriere als Pop-Duo. Andys Schilderungen vom Abschiedskonzert „The Final“ im Londoner Wembley Stadium haben mir beim Lesen eine Gänsehaut verursacht – übrigens genau wie seine Erlebnisse bei „Live Aid.“

Das Buch wird illustriert mit vielen Fotos, die zum Teil aus Andys Privatbesitz stammen: Kinder- und Jugendfotos, aber auch Bühnen- und Backstageaufnahmen. Bei jedem Bild steht eine Quellenangabe, jedoch leider nur bei einigen wenigen Fotos eine erklärende Bildunterschrift. Die hätte ich mir sehr gewünscht, denn nicht immer passt das Foto zum jeweiligen Kapitel und ist somit aus dem Kontext heraus zuzuordnen (zumindest nicht in der eBook-Version).

Die Geschichte endet mit dem Ende von Wham!, allerdings gibt es noch eine Art Epilog, in dem Andy erzählt, wie er von George’s Tod erfahren hat und wie er damit umgegangen ist. Klar – der Buchtitel verrät ja schon, dass es in dem Buch um das Duo Wham! geht und diese Geschichte wird ja auch wunderbar erzählt. Dennoch hätte ich mir gewünscht, zum Abschluss auch noch etwas mehr von Andys Leben nach Wham! zu erfahren. Leider hat auch das Internet nicht viel dazu beigetragen, meine diesbezügliche Neugier zu stillen. George Michael hat nach Wham! bekanntlich eine beachtliche Solo-Karriere hingelegt, Andy hingegen war wohl ganz froh, das Rampenlicht verlassen zu können. Wenn ich seine Schilderungen bezüglich Fan-Hysterie und Presserummel so lese, dann kann ich das auch sehr gut nachvollziehen.

Ich fand es sehr spannend, mit dieser Lektüre quasi eine Zeitreise in die 80er zu unternehmen und den Werdegang von Wham! mitzuverfolgen (auch Duran Duran werden dabei einige Male erwähnt). Danach hab ich gleich mal meine Best-of-CD von „The Final“ aufgelegt. So manchen Song darauf höre ich jetzt ganz anders als vor 30 Jahren, weil ich nun viel mehr über die Entstehungsgeschichte weiß. Und mit dem Songtitel „Club Tropicana“ verbinde ich mittlerweile ohnehin noch ganz andere schöne Erinnerungen.