Liebe M. Du bringst mein Herz zum Überlaufen

Erstellt am 19.4.20. Kategorie: Buchrezensionen
„Liebe M. Du bringst mein Herz zum Überlaufen“
von Anna Paulsen
Bewertung
★★★★★
Verlag Penguin
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen Januar 2018
Seiten 331
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Als ich neulich meinen Beitrag zum #litlovetalk im April geschrieben habe, erinnerte ich mich wieder an diesen Roman, der nun wirklich schon seit langer Zeit auf meinem Reader vor sich hin schlummert. Tja, im Moment habe ich mehr Zeit als sonst zum Lesen, also war nun endlich der Zeitpunkt gekommen, mir dieses Buch vorzunehmen. Und jetzt frage ich mich: Warum nur habe ich das nicht schon viel früher getan?

Die Geschichte handelt von einer jungen Frau namens Matilda, die im Amt für nicht zustellbare Post, Abteilung K bis M, arbeitet. Dort liest sie Briefe, die aus irgendeinem Grund nicht zugestellt werden konnten und versucht herauszufinden, ob sich darin ein Hinweis auf Absender oder Empfänger findet. Matilda liebt diesen ruhigen Job, in dem sie wenig mit Menschen und der lauten Welt dort draußen in Berührung kommt. Denn nach einer schlimmen Kindheit ist Matilda sehr scheu und zurückgezogen. Anstatt mit Freundinnen etwas zu unternehmen, sitzt sie lieber am Fenster ihrer Wohnung, beobachtet die Passanten und denkt sich Geschichten über sie aus.

Dabei hat sie ein Herz aus Gold, vor allem für ihre Nachbarn: Der blinden alten Elvira liest sie aus der Zeitung vor, für eine andere Nachbarin versorgt sie das Haustier, dem dritten Nachbarn, einem älteren Herrn namens Knut, bringt sie die Einkäufe mit, als der sich den Fuß gebrochen hat. Und Knut wird dann auch ihr Internet-versierter Helfer, als Matilda eines Tages einen ganz besonderen Brief bearbeiten muss. Es handelt sich dabei um einen im Jahr 1966 abgeschickten Liebesbrief, den ein gewisser Michel an seine große Liebe Leni geschrieben hat. Er bittet sie darin, zu ihm zurückzukehren und mit ihm gemeinsam durchzubrennen, allen Widerständen zum Trotz. Der Brief berührt Matilda zutiefst und sie fragt sich, was in den vergangenen Jahrzehnten wohl aus Michel und Leni geworden ist. Ihr Entschluss steht fest: Sie muss herausfinden, wo die beiden heute leben und ihnen den Brief überbringen.

Mit Knuts Hilfe setzt sie nach und nach die Puzzleteile zusammen und muss dafür ihre Komfortzone verlassen. So reist sie etwa auf den Spuren von Leni zum ersten Mal in ihrem Leben allein an die Ostsee. Und einmal angefangen, wird sie immer wagemutiger. Denn es gibt noch andere Briefe, bei denen Matilda das Gefühl hat, dem Schicksal etwas auf die Sprünge helfen zu müssen. Als sie auf diese Weise zum ersten Mal ein schüchternes Liebespaar zusammenbringt, ist das ein sehr ermutigendes Gefühl für sie.

Und dann erreichen sie plötzlich immer wieder Briefe, die mit „Liebe Schöne“ beginnen, später dann mit „Liebe M.“, doch leider keinerlei Rückschlüsse auf den Absender zulassen. Doch seine Botschaften an die unbekannte M. berühren Matildas Herz. So offenbart der unbekannte Briefeschreiber unter anderem hundert kleine Wahrheiten über sich selbst, die auch bei mir als Leserin für Herzklopfen und amüsiertes Schmunzeln gesorgt haben. So ganz langsam keimt beim Lesen der Verdacht, wer hinter den Briefen stecken könnte und an wen sie gerichtet sein könnten. Nur Matilda ist völlig ahnungslos…

Als ich diesen Roman begonnen habe, da wollte ich Matilda so manches Mal an den Schultern packen, sie kräftig schütteln und ihr zurufen: „Hör doch mal auf mit Deinen Tagträumen und beginne endlich zu leben!“ Zum Glück ist es dann in der Geschichte ihr Nachbar Knut, der diese Aufgabe übernimmt, noch dazu wesentlich feinfühliger als ich. Und so ist es vor allem Matildas eigene Entwicklung, die diesen Roman so spannend macht, neben den Geheimnissen, die in all den unzustellbaren Briefen stecken. Eine wunderbar leise, zarte Geschichte, sehr poetisch und verträumt, dabei aber auch so voller Leben und Optimismus, dass es einem beim Lesen so richtig warm ums Herz wird.

Gerade in der heutigen Zeit, wo wegen Corona viele Besuche nicht möglich sind und stattdessen plötzlich wieder Briefe geschrieben werden, ist dies meiner Meinung nach eine sehr passende Geschichte, eine wunderbare Hommage ans Briefeschreiben und überhaupt an das geschriebene Wort – einfach wunderbar!

Nun bin ich erst recht neugierig auf die weiteren Romane der Autorin geworden. Anna Paulsen ist übrigens ein Pseudonym der Autorin Heike Abidi, die unter beiden Namen Unterhaltungsromane und Ratgeber für erwachsene und jugendliche Leser schreibt.

 

Und auch hier wieder die obligatorische Bitte:
Bitte kauft Eure Bücher nicht bei Amazon! Denn die zahlen in Deutschland keine Gewerbesteuer und finanzieren somit weder Schulen, Kitas noch Krankenhäuser. Die von mir oben genannten links führen zu zwei lokalen, inhabergeführten Buchläden mit sehr engagierten Mitarbeitern, die momentan um ihre Existenz fürchten müssen. Bitte unterstützt den lokalen Buchhandel, damit wir auch nach Corona noch solch wunderbare Läden vorfinden, die sich Zeit nehmen für ausführliche individuelle Beratung, die Lesungen veranstalten, unsere Innenstädte beleben, Arbeitsplätze schaffen und hier ihre Steuern zahlen. Danke!
(ausführlichere Infos dazu gibt es auch in meinem Beitrag Buchladen statt Amazon)