Die Tochter des Zauberers

Erstellt am 23.9.20. Kategorie: Buchrezensionen
„Die Tochter des Zauberers“
von Heidi Rehn
Bewertung
★★★☆☆
Verlag Aufbau Verlag
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen August 2020
Seiten 447 Seiten
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Schon seit langem bin ich ein großer Fan der historischen Romane von Heidi Rehn und der Stadtrundgänge, die sie auf den Spuren ihrer Romane veranstaltet. Deshalb war ich natürlich sehr gespannt auf ihr neuestes Buch „Die Tochter des Zauberers – Erika Mann und ihre Flucht ins Leben.“ Doch ich muss zugeben, diesmal hab ich sehr mit der Lektüre gekämpft.

Der Roman behandelt nur einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben von Erika Mann, der Tochter des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann, nämlich die Jahre 1936 und 1937. Die Erzählung beginnt mit der Ankunft von Erika und ihrem Bruder Klaus in New York. Aufgrund des in Deutschland und ganz Europa erstarkenden Faschismus sind sie in die USA geflüchtet. Hier wollen sie ihr in München gegründetes politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ wieder aufleben lassen, um auf die kritische Situation in Europa aufmerksam zu machen. Unterkunft beziehen sie im „Bedford“, einer Pension, die vor allem von deutschsprachigen Exilanten bewohnt wird, darunter viele Künstler und Journalisten.

Zunächst muss Erika nun Sponsoren finden, um damit den Rest der Theatertruppe – darunter auch ihre Geliebte, die Schauspielerin Therese Giehse – aus Europa in die USA nachkommen zu lassen. Sie muss geeignete Räume für die Aufführungen finden und Agenten, die sie unter Vertrag nehmen. Deshalb geht sie „Klinkenputzen“ in der feinen New Yorker Gesellschaft. Gefühlt besteht daher die erste Hälfte des Romans nur aus Partys, Galadinners und Empfängen, die sie besucht. Dabei trifft sie jede Menge interessanter Leute, beispielsweise den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und seine Frau Eleanor, aber auch viele bekannte Schauspieler und Schriftsteller.

Dennoch: Die „Pfeffermühle“ wieder aufleben zu lassen, entpuppt sich als schwieriges Unterfangen, denn zunächst müssen die Texte ins Amerikanische übersetzt werden, was viel vom ursprünglichen Wortwitz nimmt, außerdem können viele Amerikaner mit dieser Art von Humor nichts anfangen und interessieren sich generell nicht für das, was auf der anderen Seite des großen Teichs passiert. Dazu kommt, dass einige Mitglieder der Truppe, allen voran Therese Giehse, sich schwer tun mit der englischen Sprache. Deutlich mehr Erfolg hat Erika als sog. „lecturer“ mit Vorträgen vor politisch interessiertem Publikum.

Das sorgt aber für Unfrieden innerhalb der Gruppe. Vor allem zwischen Erika und Therese kommt es immer wieder zu Streit, in ihrer Beziehung kriselt es. Zumal Erika sich gleich zu zwei Männern hingezogen fühlt: dem ruhigen, einfühlsamen Arzt und Schriftsteller Martin Gumpert aus Berlin und dem schwerreichen Bankier und Verleger Maurice Wertheim. Ganz nebenbei ist sie auch noch mit dem Briten W.H. Auden verheiratet – eine reine Zweckehe, die ihr die britische Staatsbürgerschaft bescherte, nachdem ihr die deutsche von den Nazis aberkannt worden war. Erika kann sich nur schwer entscheiden, reibt sich außerdem auf in ihrer politischen Mission und sorgt sich zudem um ihren drogenabhängigen Bruder Klaus, der im Gegensatz zu ihr nur sehr schlecht damit zurecht kommt, überall nur als das Kind des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann angesehen zu werden, nicht aber als eigenständiger Schriftsteller.

Ich muss gestehen, dass ich vor der Lektüre dieses Romans so gut wie gar nichts über Erika Mann wusste. Da diese Geschichte aber so mittendrin in Erikas Leben beginnt, hatte ich vor allem zu Anfang ständig das Gefühl, etwas verpasst zu haben, als hätte ich einige Kapitel oder gar den Vorgängerroman überlesen und deshalb nun einige Lücken in einem Wissen, das für diesen Roman aber vorausgesetzt wurde. So habe ich mir schon bald den Wikipedia-Artikel über Erika Mann durchgelesen, um diese Wissenslücken wenigstens ansatzweise zu füllen. Das hat mir sehr geholfen, aber so richtig habe ich dennoch nicht in die Geschichte hineingefunden.

Wie schon erwähnt, besteht der erste Teil des Romans aus einer endlosen Aneinanderreihung von Partys und Empfängen, die Erika besucht. Leider bleibt diese Schilderung aber oberflächlich, man wird kaum einmal Zeuge, wenn Erika dort wirklich versucht, ihre Gesprächspartner für die Lage in Europa zu interessieren. Stattdessen liest man von illustren Gästelisten, von Alkohol, der in Strömen fließt, von Zigaretten, die en masse geraucht werden, von anderen Drogen und immer wieder von Erikas Zerrissenheit, was ihre Gefühle für Therese, Martin und Maurice betrifft. So dehnte sich die Lektüre endlos vor mir aus und ehrlich gesagt, war ich ein paarmal kurz davor, das Buch abzubrechen.

Da ich das aber prinzipiell nur sehr, sehr ungern mache (ich habe immer das Gefühl, es könne ja vielleicht doch noch was Interessantes kommen, das ich sonst verpassen würde) und da ich auch Heidi Rehn persönlich und als Autorin sehr schätze, habe ich dennoch weitergelesen und zum Glück wurde es dann doch noch etwas abwechslungsreicher, als Therese in den USA eintrifft und es mit der „Pepper Mill“ endlich losgeht. Sehr gut geschildert fand ich die Atmosphäre im New York der 30er Jahre mit all den verrauchten Jazzclubs und vor allem die Schilderung des „Bedford“, dessen Bewohner mir zeitweise vorkamen wie eine Horde Pubertierender auf Klassenfahrt, auf jeden Fall aber wie eine eingeschworene Gemeinschaft von Exilanten, die in der Fremde zusammenhalten müssen.

So kam die Lektüre für mich dann doch noch zu einem versöhnlichen Abschluss, aber richtig begeistern konnte mich das Buch nicht. Ich weiß, dass es vielen Lesern anders ging, ich habe von einigen Bloggerkolleginnen schon begeisterte Rezensionen gelesen. Vielleicht war es für mich einfach das falsche Buch zur falschen Zeit. Aber eines hat die Lektüre auf alle Fälle geschafft: Sie hat mein Interesse für Erika Mann geweckt, eine Frau, die mir zwar nicht sympathisch ist, aber unbestreitbar ein sehr aufregendes und vielseitiges Leben geführt hat. Da hab ich dank dieses Buches doch wieder was Neues gelernt 🙂