Dallmayr – Der Traum vom schönen Leben

Erstellt am 19.11.21. Kategorie: Buchrezensionen
„Dallmayr - Der Traum vom schönen Leben“
von Lisa Graf
Bewertung
★★★★★
Verlag Penguin
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen November 2021
Seiten 640
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Wer kennt ihn nicht, zumindest aus der Fernsehwerbung, den Feinkostladen Dallmayr in der Münchner Dienerstraße? Schon oft habe ich Besucher von außerhalb durch dieses Geschäft geführt, in dem es überall so verführerisch duftet, nach Kaffee, Tee und Schokolade, aber auch nach Käse, Wurstwaren, frischem Fisch oder exotischem Obst. Worüber aber auch ich als Münchnerin bisher leider gar nicht Bescheid wusste, das ist die jahrhundertelange Geschichte des Geschäfts, das bereits um 1700 gegründet wurde. 1870 erhielt das Unternehmen seinen heutigen Namen vom damaligen Inhaber Alois Dallmayr und 1895 übernahmen Anton und Therese Randlkofer den Laden, behielten den eingeführten Namen aber bei.

Der Roman beginnt im Jahr 1897. Seit zwei Jahren führen die Randlkofers den Laden, für dessen Übernahme sie sich verschuldet haben, als Anton unerwartet stirbt. Therese steht plötzlich allein da, mit drei Kindern, dem Laden und den Schulden. Aber aufgeben kommt für sie nicht in Frage und auch von Antons Bruder Max will sie sich nicht dreinreden lassen. Max schreckt auch vor Intrigen nicht zurück, um den Laden an sich zu reißen, aber zum Glück hat Therese einflussreiche Freunde, denn schon zu dieser Zeit hat der Dallmayr viele Stammkunden aus der sogenannten besseren Gesellschaft. Thereses Fleiß und Ehrgeiz ist es zu verdanken, dass das Geschäft den begehrten Titel „Königlich bayerischer Hoflieferant“ erhält und zahlreiche Fürstenhäuser beliefert. Dabei ist es zu dieser Zeit alles andere als selbstverständlich, dass eine Frau alleine ein Unternehmen führt, Therese muss so manchen Kampf ausfechten, um ihren Traum zu leben.

Zu den Randlkofers gehört auch Balbina, Thereses uneheliche Nichte aus Niederbayern, die Anton nach München geholt hat. Hier führt sie den Randlkofers den Haushalt und fungiert als Kindermädchen für den jüngsten Sohn Paul. Dessen Schwester Elsa behandelt Balbina stets von oben herab und lässt sie ihre wenig standesgemäße Herkunft spüren. Der älteste Sohn Hermann wiederum fühlt sich zu Balbina hingezogen und sie sich auch zu ihm. Doch diese Verbindung wird von Anton Randlkofer nicht gern gesehen und er hat gute Gründe dafür. Vor seinem Tod drängt er Therese, diese Beziehung unter allen Umständen zu verhindern. Da passt es gut, dass Hermann mit einem befreundeten Kaufmann nach La Palma reisen will. Dort wachsen die heiß begehrten Bananen, die in England und Amerika bereits Verkaufsschlager sind und im Dezember 1897 zum ersten Mal auch in Deutschland erhältlich sind – natürlich bei Dallmayr.

Elsa interessiert sich nicht fürs Geschäft, sie ist noch dabei, ihren Platz im Leben zu suchen. Sie interessiert sich für Naturwissenschaften und Kunst, doch als Frau hat sie es zu dieser Zeit schwer: Noch dürfen Frauen in Deutschland nicht studieren und auch die „Malweiber“, die in München die Kunstakademie besuchen, werden bestenfalls belächelt. Als ihr ein Maler den Hof macht, gerät die Tochter aus gutem Hause zunehmend in Bedrängnis.

Dann ist da noch der aufgeweckte Lehrling Ludwig, der mit seiner lustigen, freundlichen Art die Herzen von Kunden und Mitarbeitern gleichermaßen gewinnt. Er träumt davon, Chocolatier zu werden. Gemeinsam mit Balbina kreiert er die fantasievollsten und genussvollsten Dessertspezialitäten, die das Feinkosthaus je gesehen hat. Dass Balbina in ihm nur einen guten Freund sieht, bekümmert ihn jedoch zunehmend. Balbina wiederum kommt dem Geheimnis ihrer Herkunft auf die Spur, was sie vollkommen aus der Bahn wirft.

Von der ersten Seite an hat mich der „Kosmos Dallmayr“ vollkommen in seinen Bann gezogen. Das Leben in und über dem Ladengeschäft (die Wohnung der Familie war damals im Obergeschoss des Ladens) ist so anschaulich geschildert, dass ich das Gefühl hatte, mittendrin zu sein. Der Roman wird aus wechselnden Perspektiven geschildert, neben Therese kommen auch Hermann, Elsa, Balbina und Max zu Wort, ebenso wie Ludwig und dessen Schwester Lilly. So bekommt man als Leser einen umfassenden Einblick aus verschiedenen Blickwinkeln.

Neben der Geschichte des Hauses Dallmayr ist vor allem die Rolle der Frau in der damaligen Gesellschaft das beherrschende Thema des Romans. Durch verschiedene Nebenfiguren wird die Situation der Arbeiterklasse beleuchtet, auch der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei in Bayern kommt zu Wort. Überhaupt sind – neben den Randlkofers – einige reale historisch belegte Personen in die Handlung eingebunden. Hier hätte ich mir allerdings im Nachwort noch ein paar Erläuterungen gewünscht, wer denn nun tatsächlich eine reale Person ist und wer der Fantasie der Autorin entsprungen ist. Gab es z.B. Balbina wirklich? Und den Lehrling Ludwig?

Ansonsten habe ich mich im München der Jahrhundertwende bestens zurecht gefunden. Neben München gibt es aber auch noch andere Schauplätze, z.B. die kanarische Insel La Palma, Hamburg mit seinem Hafen und der Speicherstadt, einige Orte in Niederbayern, die Gemeinde Ismaning im Norden Münchens und sogar mein Heimatlandkreis Ebersberg, hier insbesondere die Orte Grafing und Glonn, letzterer spielt sogar eine wichtige Rolle im Roman. Und witzigerweise kommt im Buch auch noch ein Kaffeehändler namens Edelmann vor – es gibt für mich also gleich mehrere gute Gründe, mich im Roman quasi wie zu Hause zu fühlen.

„Dallmayr – Der Traum vom schönen Leben“ ist der Auftakt zu einer Trilogie. Der erste Band spielt vor allem im Jahr 1897, das beinahe Tag für Tag erzählt wird, und endet mit dem Jahreswechsel 1899. Der zweite Band, der im Oktober 2022 erscheinen soll, behandelt die Jahre 1905 bis 1920. Der dritte Band wird voraussichtlich im Oktober 2023 erscheinen. Die Autorin hat unter ihrem vollen Namen Lisa Graf-Riemann unter anderem den Krimi „Kurschattenaffäre“ veröffentlicht, den ich Anfang 2021 mit Begeisterung gelesen habe. Auch dazu wird es 2022 eine Fortsetzung geben, auf die ich mich schon heute sehr freue.

Bis es soweit ist, muss ich demnächst unbedingt mal wieder einen Besuch bei Dallmayr in München einplanen, darauf hat mir die Lektüre nämlich unbändige Lust gemacht. Das Buch eignet sich meiner Meinung nach auch hervorragend als Weihnachtsgeschenk, vielleicht mit einer Packung Dallmayr Prodomo-Kaffee dazu. Und frei nach dem Prodomo-Werbeslogan lautet mein Fazit: Vollendet veredelte Spitzenunterhaltung!

[Werbung, unbezahlt] [Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]