Die Hafenärztin 1

Erstellt am 3.1.22. Kategorie: Buchrezensionen
„Die Hafenärztin 1“
von Henrike Engel
Bewertung
★★★★★
Verlag Ullstein
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen Januar 2022
Seiten 464
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Das erste Buch des neuen Jahres und gleich ein Volltreffer! Wobei: Gelesen habe ich das Buch tatsächlich schon Ende 2021, allerdings erscheint es erst heute offiziell, ich durfte es dankenswerterweise schon vorab lesen und es hat mir definitiv viele schöne und spannende Lesestunden „zwischen den Jahren“ beschert.

Darum geht es: Anne Fitzpatrick kommt anno 1910 mit einem Schiff aus England am Hamburger Hafen an. Man erfährt schon auf den ersten Seiten, dass Anne ein Geheimnis umgibt, denn Fitzpatrick ist nicht ihr richtiger Name und sie musste London überstürzt verlassen. In Hamburg, der Stadt ihrer Kindheit, will sie ein neues Leben anfangen. Und das führt die promovierte Ärztin – in Deutschland ist sie eine der ersten Frauen in diesem Beruf – zum Frauenhaus in der Paulstraße, wo sie arme Frauen und Kinder behandelt. Doch ihr Traum ist es, ein solches Frauenhaus auch am Hamburger Hafen aufzubauen. schließlich gibt es auch dort viele Frauen, die Hilfe dringend benötigen.

Doch ausgerechnet am Eröffnungstag werden im Hafenbecken zwei Frauenleichen gefunden. Der ermittelnde Kommissar ist Berthold Rheydt, der sich in seine Arbeit stürzt, um seinen privaten Kummer zu verdrängen. Beinahe manisch macht er sich an die Aufklärung der beiden Mordfälle, die den Schluss nahe legen, dass dahinter ein und derselbe Täter steckt, der bei seinen Taten besonders brutal vorgeht. Wenig später wird eine dritte Frauenleiche gefunden und bei allen drei Opfern gibt es Hinweise, die auf das Frauenhaus am Hafen hindeuten.

Anne, eigentlich eine bemerkenswert toughe Frau, gerät zunehmend in Panik, denn es scheint, als habe es der Hafenmörder darauf abgesehen, ihr zu schaden. Welche Rolle spielt der einflussreiche Bankier Wilhelm von Stetten, der offenbar schuld daran ist, dass Annes Vater, einst ein bedeutender Reeder, Hamburg zusammen mit seiner Familie für immer verlassen musste? Und dann ist da noch Helene Curtius, eine behütete Pastorentochter, die gegen die starren Regeln, die ihr vom Elternhaus auferlegt werden, rebelliert. Anne wird zu ihrem Vorbild und sie setzt alles daran, sich ein selbstbestimmtes Leben zu erkämpfen und sich wie Anne für Frauenrechte stark zu machen.

Die Geschichte wird abwechselnd aus den Perspektiven Annes, Helenes und des Kommissars erzählt und gibt höchst interessante Einblicke in sehr unterschiedliche Lebenswelten: in die der wohlhabenden besseren Gesellschaft an der Alster, in die der armen Leute im Gängeviertel, in die raue Männerwelt der Hamburger Polizei und Fußballvereine. Auch das Thema Frauenrechte wird sehr anschaulich und eindrücklich geschildert. Der Kriminalfall selbst ist extrem spannend und beklemmend, bis kurz vor Buchende hatte ich keine Ahnung, wer der brutale Hafenmörder sein könnte. Und bei den Beschreibungen, wenn eine der Frauen nachts allein in Hamburgs Gassen unterwegs war, habe ich mich beinahe ebenso gefürchtet wie die Protagonistinnen selbst.

Besonders interessant für mich war, dass die Morde im Buch allesamt in einer Gegend passiert sind, die mir gut bekannt ist: Mein Mann und ich haben im August ein paar herrliche Urlaubstage in Hamburg verbracht und unser Hotel lag am Dovenfleet am Rande der Speicherstadt, eine Straße, die auch im Buch eine wichtige Rolle spielt. Heute ist dies eine moderne Wohn- und Geschäftsgegend mit vielen Hotels und großen breiten Straßen. Angeregt durch den Roman habe ich im Internet nach einem Stadtplan Hamburgs von 1910 gesucht und die Gegend von damals mit der heutigen verglichen. Obwohl sich seither natürlich sehr viel geändert hat, hatte ich beim Lesen doch immer ein sehr genaues Bild im Kopf – bin aber durchaus froh, dass ich das Buch erst nach unserem Urlaub gelesen habe! 😉

Am Ende konnte ich das Buch überhaupt nicht mehr weglegen, so sehr hat mich die Geschichte gepackt. Wie gut, dass ich nach den Feiertagen viel Zeit zum Lesen hatte! Und auch wenn die Mordserie letztlich aufgeklärt wurde, so blieben doch noch einige Fragen offen, insbesondere die nach Annes Vergangenheit, da war ich am Schluss kaum schlauer als am Anfang. Ich hoffe sehr, dass sich einiges davon im zweiten Teil klärt, denn es wird zu diesem Kriminalroman eine Fortsetzung geben, die Ende Mai 2022 erscheinen soll. Bis dahin muss ich mich nun wohl oder übel noch gedulden.

[Werbung, unbezahlt] [Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]