Nachts im Kanzleramt

Erstellt am 5.5.22. Kategorie: Buchrezensionen
„Nachts im Kanzleramt“
von Marietta Slomka
Bewertung
★★★★☆
Verlag Droemer Knaur
Buchform gebunden, eBook
Erschienen April 2022
Seiten 336
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Bei uns zuhause wird viel über Politik gesprochen. Kein Wunder: Ich selbst berichte regelmäßig aus den Ausschuss- und Gemeinderatssitzungen unserer Nachbargemeinde, mein jüngerer Sohn ist Mitglied des Gemeinderats in unserem Heimatort, beide Söhne interessieren sich besonders für Umweltpolitik, schließlich sind sie die Generation, die den Klimawandel ausbaden muss. So ist also unser Küchentisch oft Schauplatz politischer Diskussionen und natürlich verfolgen wir auch immer aufmerksam die Nachrichten, mit am liebsten eigentlich im „heute journal“ des ZDF.

Dessen Hauptmoderatorin seit 20 Jahren ist Marietta Slomka. Die studierte Volkswirtin und Politikwissenschaftlerin hat bereits mehrere politische Sachbücher geschrieben und wurde u.a. mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis, dem Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Ihr neuestes Werk ist mir schon allein aufgrund des Titels aufgefallen: „Nachts im Kanzleramt“, Untertitel: „Alles, was man schon immer über Politik wissen wollte.“ Darin erzählt sie umfassend über das politische System in Deutschland, mit Exkursen zu anderen Ländern.

Los geht es mit dem Thema Demokratie. Sie erläutert verschiedene Staatsformen, warum man überhaupt Parteien und eine Regierung braucht, erörtert die Frage, ob sich Demonstrieren lohnt und auch das Thema Populismus wird hier angesprochen. Weiter geht es mit dem Thema Wahlen, Wahlkampf, Wahlrecht, Föderalismus und allem, was es dazu zu erklären gibt. Bis hierhin hielt das Buch für mich zwar noch nichts wirklich Neues bereit, aber dennoch war es interessant, all das nochmal so komprimiert nachzulesen.

Spannend war für mich vor allem das dritte Kapitel »Was mit Medien«: Politik und Journalismus. Warum die Pressefreiheit so wichtig ist, ist ein ganz großes Thema im Buch. Die Autorin stellt auch Betrachtungen an zur Frage, inwieweit die Medien die vierte Macht im Staat sind, und plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen ihrer Nachrichtenredaktion, wenn sie erläutert, welche Themen es in die Nachrichten schaffen und welche eher nicht. Durchaus kritisch geht sie der Frage nach, wie viel Nähe zwischen Medienvertretern und Politikern okay ist und natürlich nimmt sie auch die Problematik der Fake News aufs Korn. Diese Aussage hat mir dabei besonders gut gefallen, gerade im Hinblick auf Corona, aber auch bei vielen, vielen anderen Diskussionen begegnet man dem ja leider immer öfter:

Neutralität liegt im Auge der Betrachter. In der politischen Diskussion wird »mangelnde Neutralität der Medien« gerne von Leuten angeprangert, die selbst sehr starke Meinungen und Haltungen haben – so starke, dass sie schon die Krise kriegen, wenn die »Gegner« nur zu Wort kommen.“ (Zitat)

Im vierten Kapitel geht es um Wirtschaft, im fünften um den Staatenbund Europa, im sechsten und letzten Kapitel schließlich um die ganz großen Fragen der Menschheit: Krieg und Frieden, die Vereinten Nationen, Klimawandel, Welthandel und Globalisierung. Wer angesichts all dieser Schlagwörter nun schon erschrocken zurückzuckt, den kann ich beruhigen: Frau Slomka versteht es, all diese Themen auf leicht verständliche Weise zu erörtern, oft anhand sehr anschaulicher Beispiele. Sie bedient sich dabei einer manchmal fast schon flapsigen Ausdrucksweise, so dass ich an einigen Stellen unsicher war, ob es sich hier um ein Sachbuch für Jugendliche oder Erwachsene handelt. Aber genau das macht es so gut verständlich! Auch viele Schlagworte der heutigen Zeit, von „False Balance“ über „Deep Fakes“ bis hin zu „Greenwashing“ werden bestens erklärt. Garniert wird das Buch übrigens mit sehr amüsanten Cartoons von Mario Lars.

Klar: Ein Sachbuch ist kein Roman. Entsprechend lasen sich die gut 330 Seiten nicht so schnell und spannend wie bei einem Roman. Und oft genug musste ich das Gelesene auch erstmal sacken lassen, ein bisschen darüber nachdenken, im Kopf weiterspinnen… so brauchte ich insgesamt für die Lektüre dieses Buches doch um einiges länger als bei einem Roman mit vergleichbarer Seitenanzahl. Dafür habe ich unterm Strich aber doch noch einiges an Neuem gelernt und viele Denkanstöße bekommen. Ich kann mir gut vorstellen, das Buch auch künftig öfter mal als Nachschlagewerk zu nutzen.