Das Wunder der kleinen Dinge

Erstellt am 17.10.23. Kategorie: Buchrezensionen
„Das Wunder der kleinen Dinge“
von Audrey Burges
Bewertung
★★★★☆
Verlag Droemer Knaur
Buchform kartoniert, eBook
Erschienen Oktober 2023
Seiten 368
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Im englischen Original heißt dieser Roman „The Minuscule Mansion of Myra Malone“ und abgesehen von der Alliteration, die ich ganz witzig finde, sagt dieser Titel auch schon etwas mehr darüber aus, worum es im Buch geht, nämlich um das Miniaturhaus von Myra Malone.

Myra hatte im Alter von fünf Jahren einen schlimmen Unfall, bei dem ihre geliebte Großmutter Trixie ums Leben kam. Myra selbst hat schwer verletzt, aber traumatisiert, überlebt. Mittlerweile ist sie Mitte Dreißig und lebt noch immer zurückgezogen im Haus ihrer Eltern in einem abgelegenen Ort in Arizona. Da ihr Gesicht seit dem Unfall etwas entstellt ist, meidet sie persönlichen Kontakt zu anderen Menschen, die einzigen Ausnahmen sind ihre Eltern und ihre Freundin Gwen.

Ihre Zeit verbringt Myra am liebsten mit der Villa Liliput: Dabei handelt es sich um eine Art Puppenhaus, das ihr Trixie einst geschenkt hat. Wobei weder Trixie noch Myra von dem Begriff Puppenhaus begeistert wären, für sie war das Haus stets „die Villa“ und laut Myra haben sie und Trixie damit auch nicht gespielt, sondern eher ein Museum kuratiert. In liebevoller Kleinarbeit schneidert Myra Miniatur-Vorhänge, -Bettüberwürfe und -Kissenbezüge, fertigt selbst winzige Möbel an, tapeziert die Wände, verlegt Teppiche und richtet die Räume immer wieder neu ein. Nur Bewohner, also Puppen, gibt es in der Villa nicht: „In der Villa Liliput geht es nicht um Menschen, sondern um Dinge.“ (Zitat).

Lediglich Gwen versucht immer wieder, Myra aus ihrem Schneckenhaus zu locken. Und so ist es auch Gwen zu verdanken, dass Myra seit einiger Zeit einen Blog betreibt, in dem sie von ihrer Villa berichtet. Sie schreibt detailliert über die Einrichtung und zeigt Fotos. Dieser Blog ist mittlerweile sehr populär und so stößt eines Tages auch Alex im fernen Virginia darauf. Als er die Fotos sieht, ist er wie vom Donner gerührt: Denn Myras Miniaturhaus gleicht wie ein Ei dem anderen seinem eigenen Haus, in dem er lebt – bis hin zu den Möbeln und zu den Büchern in den Regalen der Bibliothek. Wie kann das sein?

Alex nimmt Mailkontakt zu Myra auf und schon bald entwickelt sich eine lebhafte Korrespondenz zwischen den beiden. Denn es zeigt sich, dass in beiden Häusern – dem großen wie dem kleinen – seltsame Dinge passieren: Es erklingt nachts Musik von einem Klavier, das es gar nicht gibt, Gegenstände verschwinden oder wechseln ihren Platz, oft ist auch eine ganz eigene Energie zu spüren, die sich rational nicht erklären lässt.

Parallel zur Geschichte von Myra und Alex wird auch die Geschichte von Alex’ Großmutter Willa erzählt, die in den 1930ern in die Villa zog, in der jetzt Alex lebt. Willa verfügt über besondere Kräfte – oder nennen wir es lieber Energien -, die vielen ihrer Mitmenschen unheimlich sind, nicht zuletzt ihrem Sohn Rutherford, Alex’ Vater. Und so ist es auch Rutherford, der Alex mit allen Mitteln aus der Villa vertreiben will. Dazu schreckt er auch vor drastischen Maßnahmen nicht zurück.

Bei dieser Geschichte handelt es sich um eine Art modernes Märchen, bei dem eine greifbare reale Gegenwart mit Fantasy-Elementen verwebt wird. Ich habe mich zu Beginn etwas schwer damit getan, mich auf diese Art von Geschichte einzulassen, zumal gerade der Anfang des Romans für meinen Geschmack etwas zu langatmig war. Aber einmal drin im Geschehen, fand ich die Handlung zunehmend spannend. Man spürt beim Lesen, wie sich gewissermaßen ein Netz um Willa zusammenzieht, das wiederum Auswirkungen auf Myra und Alex hat. Dazu stellt man sich natürlich die Frage, ob die beiden sich jemals persönlich treffen werden und falls ja, wie Alex dann auf Myra reagieren wird.

Alles in allem hat mir das Buch dann doch sehr gut gefallen. Es ist insgesamt eine ruhigere und wie gesagt etwas fantastische Geschichte, auf die man sich einlassen muss. Insofern eigentlich perfekt für lange Herbstabende, an denen man es sich im eigenen Zuhause gemütlich machen will. Und ist das Cover nicht einfach zauberhaft?

Besonderer Clou: Im Buchanhang finden sich zwölf verschiedene Fragen, Diskussionsthemen genannt. Ein bisschen erinnerte mich das an meine Schulzeit und an die Fragen zum Textverständnis im Deutschunterricht. Aber eigentlich waren diese Fragen ganz hilfreich, um das Gelesene nochmal zu reflektieren. Beispiele:
„Die Villa Liliput der Myra Malone handelt eigentlich von den Orten und Menschen, die wir immer in uns tragen. Welchen Ort – ein Zimmer, eine Gegend, ein Haus – haben Sie nie wirklich hinter sich gelassen? Was ist Ihnen an diesem Ort ganz besonders im Gedächtnis geblieben? Warum?“ (Zitat)
„Das Buch beginnt mit einem Blogeintrag von Myra – »Es war einmal ein Haus« –, der die Leserinnen und Leser auffordert, sich ihr Traumhaus vorzustellen. Wie würde Ihres aussehen, und wo würde es stehen?“ (Zitat)
„Was, wenn Sie alles, was Sie lieben, einschrumpfen könnten, um es immer bei sich zu tragen? Würden Sie es tun? Was wäre das und warum?“ (Zitat)
Gar nicht so leicht zu beantworten, aber definitiv wert, einmal gründlich darüber nachzudenken.

[Werbung, unbezahlt] [Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]