„Wir fangen das Glück“ | |
von Juliane Michel | |
Bewertung
★★★★★
|
|
![]() |
|
Verlag | Heyne |
---|---|
Buchform | kartoniert, E-Book |
Erschienen | April 2025 |
Seiten | 495 |
Erhältlich bei | genialokal.de |
Im vergangenen September habe ich den ersten Teil der zweiteiligen „Palmengarten-Saga“ von Juliane Michel gelesen. Die Geschichte spielt nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Frankfurt am Main und handelt vom Schicksal zweier Freundinnen, die während des Krieges zu den sogenannten Swing-Kids gehörten, einer Gruppe von Jugendlichen, die sich heimlich trafen, um die von den Nazis verbotene Swing-Musik zu hören und dazu zu tanzen. Während im ersten Band „Wir tanzen in die Freiheit“ Elfie im Mittelpunkt stand, geht es diesmal um ihre beste Freundin Helga.
Die Geschichte beginnt im Februar 1946. Helga träumt davon, Jura zu studieren. Sie will ihren Teil dazu beitragen, dass sich das Unrecht des Nationalsozialismus künftig nicht mehr wiederholt. Doch ihre Einschreibung an der Uni wird abgelehnt: Die Studienplätze sind rar und werden vorrangig an männliche Studenten vergeben, denn die müssen ja schließlich nach dem Krieg schleunigst einen Beruf erlernen und ihre Familie ernähren, während die Frauen sich doch bitteschön um Haus und Kinder kümmern sollen, so die Begründung.
Helga ist am Boden zerstört, dass sie ihren großen Traum begraben muss, zudem bangt sie um das Schicksal ihres geliebten Walther, Elfies Bruder, der noch immer in Kriegsgefangenschaft ist. Sie tröstet sich mit ihrem Hobby, dem Fotografieren mit ihrer kostbaren Leica-Kamera, die sie über den Krieg gerettet hat. Da spricht sie plötzlich ein Kommissar von der Kriminalpolizei Frankfurt an: Er sucht händeringend einen Polizeifotografen, der ihn zu Einsätzen begleitet und die Verbrechen dokumentiert.
Gleich Helgas erster Einsatz führt sie zu einer Leiche, die offenbar vom obersten Rand einer Bauruine gestürzt ist. War es ein Unfall? Suizid? Oder gar Mord? Entdeckt wurde die Leiche von Peter, den Helga noch aus Swing-Kids-Zeiten kennt, dann aber aus den Augen verloren hat. Der ums Leben gekommene Alwin war Peters bester Freund, dennoch wird Peter von der Polizei verdächtigt, Alwin im Streit in den Abgrund gestoßen zu haben.
Helga glaubt an Peters Unschuld und so beginnen die beiden, gemeinsam die letzten Tage in Alwins Leben zu rekonstruieren. Dabei lernt Helga auch Peters jüdische Mutter kennen, die den Holocaust nur überlebt hat, weil sie ihren eigenen Tod vorgetäuscht hat. Auch Peter hat, ebenso wie Alwin, als Kind aus einer sogenannten „Mischlingsehe“ *) schlimme Zeiten im Arbeitslager erlebt.
Während Helga und Peter sich langsam näher kommen, kehrt plötzlich Walther aus der Gefangenschaft zurück. Doch er ist vollkommen verändert, vor allem Helga gegenüber. Über das Erlebte will er – wie so viele Menschen damals – nicht sprechen, er will leben, leben, leben! Doch Helga scheint in seinen Plänen keine Rolle zu spielen …
Diese Geschichte ist eine gelungene Mischung aus historischem Roman und Krimi, denn während man als Leser*in mit Helga und Peter versucht, Alwins Mörder auf die Spur zu kommen, erfährt man eine Menge über die Situation im Frankfurt der Nachkriegszeit, aber in Rückblenden auch über die Gräuel der Kriegsjahre. Insbesondere die furchtbare Situation der Juden und sog. Halbjuden wird behandelt, darüber hinaus geht es aber noch um eine weitere „Randgruppe“ *), die damals um ihr Leben fürchten musste – welche, kann ich nicht verraten, ohne zu spoilern.
Jedenfalls hat mich das Buch, wie schon der erste Band, ganz schnell wieder in seinen Bann gezogen und ich habe mit Helga, Peter und ihren Lieben mitgelitten und mitgefiebert. Und gerade in Zeiten, wo der Antisemitismus leider wieder zunimmt, hat mich die Lektüre auch sehr betroffen gemacht und mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben.
Fazit: Nicht nur eine sehr spannende, unterhaltsame Lektüre, sondern zugleich auch ein Buch, das lehrreich ist und um Verständnis und mehr Toleranz wirbt – genau das, was wir heutzutage so dringend brauchen. Deshalb eine ganz klare Leseempfehlung. Zum besseren Verständnis der Zusammenhänge empfehle ich aber dringend, zunächst Band 1 zu lesen.
*) Ich setze diese Begriffe ganz bewusst in Anführungszeichen, um zu verdeutlichen, dass diese Menschen zur Nazizeit so genannt wurden, dies spiegelt jedoch in keinster Weise meine persönliche Haltung wider, ganz im Gegenteil!
[Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]