Little Germany – Der Geschmack von Freiheit

Erstellt am 19.10.25. Kategorie: Buchrezensionen
„Little Germany - Der Geschmack von Freiheit“
von Maria Nikolai
Bewertung
★★★★★
Verlag Penguin
Buchform kartoniert, E-Book
Erschienen September 2025
Seiten 512
Erhältlich beigenialokal.de

Ein halbes Jahr ist es her, seit ich den ersten Band dieser Dilogie rund um zwei Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts nach Amerika auswandern, gelesen habe. „Little Germany – Der Duft der Neuen Welt“ endet mit einer schrecklichen Katastrophe, die auch die ersten Kapitel des zweiten Bandes bestimmt: 1904 ist der Ausflugsdampfer „General Slocum“ auf dem East River in Brand geraten und gesunken, dabei verloren über tausend Menschen ihr Leben, darunter sehr viele Kinder. Die meisten Passagiere an Bord stammten aus „Little Germany“, einem New Yorker Stadtteil in der Lower East Side, wo sich vorrangig deutsche Auswanderer niedergelassen hatten.

Geschickt hat die Autorin Maria Nikolai hier reale historische Fakten mit der fiktiven Geschichte um die beiden jungen deutschen Auswanderinnen Lilli und Julia verwoben. Auch Lilli und Julia sind von der Katastrophe betroffen: Julia überlebt schwer verletzt, Lilli trauert um ihren Mann Paul. Und so wie sie trauern eigentlich alle Familien in „Little Germany“, denn es gibt quasi niemanden, der nicht einen oder gar mehrere Angehörige bei diesem Unglück verloren hat.

So verändert sich langsam das Gesicht des deutschen Viertels: Viele Bewohner ziehen weg und das bekommt auch die „Swabian Pretzel Bakery“ deutlich zu spüren, die Umsätze gehen zurück. Doch Lilli ist in ihrer Trauer gefangen und unfähig, Entscheidungen zu treffen. Erst ganz allmählich schaffen es die beiden Frauen, die Weichen für ihr Leben neu zu stellen. Sie ziehen mit ihrer Bäckerei um in den nördlicher gelegenen Stadtteil Yorkville, wo sie „Lissis Kleine Konditorei“ neu eröffnen.

Derweil ist Julia hin- und hergerissen zwischen ihrer Liebe zu ihrem Mann Frederick und ihrem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben – das sie an Fredericks Seite auf dem Rittergut Eckerde in Deutschland so nicht führen könnte. Lissi trifft Toby Frey wieder, einen jungen Arzt, den sie bereits auf dem Schiff von Bremerhaven nach New York kennengelernt hat, als er ihr bei der Geburt ihrer Tochter Aurelia zur Seite stand. Schon damals fühlten beide sich zueinander hingezogen, doch das Schicksal trieb sie zunächst auseinander. Lilli hatte später Paul Steiner geheiratet und erlaubt sich so kurz nach dessen Tod keine Gefühle für einen anderen Mann. So stehen beide Frauen erneut vor folgenschweren Entscheidungen, um weiterhin ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Daneben wird auch das Schicksal von Giovanni weitererzählt, einem italienischen Waisenkind aus „Little Italy“, der ab und zu in der Bäckerei aushilft, jedoch in falsche Kreise gerät: Die Gang um (den realen) Paul Kelly, einen Unterweltboss aus „Little Italy“, der mit Gewalt und Korruption ganz New York terrorisiert, setzt auch Giovanni unter Druck. Eigentlich möchte der Waisenjunge doch nur lernen und später einmal Ingenieur werden, doch dann findet er sich plötzlich im Gefängnis wieder …

Wie schon im ersten Teil der Geschichte hat Maria Nikolai auch hier wieder akribisch recherchiert und reale Ereignisse und Personen in ihre fiktive Geschichte einfließen lassen. Während im ersten Teil das Thema Auswanderung und Frauenrechte im Mittelpunkt stand, geht es im zweiten Teil vorrangig um die Katastrophe der „General Slocum“ und deren Aufarbeitung. Von der ersten Seite an habe ich wieder mit Lissi und Julia mitgelitten und so hat mich die Geschichte wieder schnell in ihren Bann gezogen.

Ich empfehle allerdings dringend, zum besseren Verständnis der Handlung zunächst den ersten Band zu lesen, dann entfaltet sich der volle Lesegenuss. Am Ende fiel es mir schwer, mich von den lieb gewonnenen Figuren zu verabschieden. Allzu gerne würde ich wissen, wie es Lissi und Julia weiter ergangen ist – aber das bleibt wohl der eigenen Fantasie überlassen …

Unbedingt erwähnt werden muss auch das ausführliche Glossar im Buchanhang, das zusammen mit dem Nachwort der Autorin die historischen Hintergründe ganz wunderbar erläutert. Wieder was gelernt! Und dann gibt es auch noch eine Reihe leckerer Rezepte aus „Lissis Kleiner Konditorei“ zum Nachbacken.

[Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]