Das Grand Hotel – Die nach den Sternen greifen

Erstellt am 18.2.20. Kategorie: Buchrezensionen
„Das Grand Hotel - Die nach den Sternen greifen“
von Caren Benedikt
Bewertung
★★★★☆
Verlag Blanvalet
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen März 2020
Seiten 528
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

„Das Grand Hotel – Die nach den Sternen greifen“ ist der Auftakt zu einer neuen Familiensaga, die auf Rügen und in Berlin spielt und im Jahre 1924 beginnt. Hauptperson ist Bernadette von Plesow, die nach dem Tod ihres Mannes das mondäne Grand Hotel in Binz weiterführt und dieser Aufgabe alles andere unterordnet. Unterstützung erhält sie zwar von ihrem Sohn Alexander, der offiziell Geschäftsführer ist, doch die Zügel hält weiterhin Bernadette in der Hand. Ihr zweiter Sohn Constantin hingegen führt in Berlin sehr erfolgreich das Hotel Astor mit angeschlossenem Varieté, während Nesthäkchen Josephine sich als Malerin betätigt.

Erzählt wird die Geschichte der Familie in einer turbulenten Zeit: In Berlin steht das ausschweifende Nachtleben in einem krassen Gegensatz zu Not und Elend der Bevölkerung, im Varieté können die Gäste bei Musik, Tanz und Erotik ihre Sorgen vergessen. Dagegen geht es in Binz vergleichsweise ruhig und beschaulich zu, doch der Schein trügt: Eine Bande erpresst Schutzgeld von den Geschäftsleuten und Hoteliers, nur im Grand Hotel beißen sich die Halunken die Zähne aus, denn Constantin schickt Hilfe aus Berlin. Doch kaum ist diese Gefahr gebannt, taucht ein Mann in Bernadettes Büro auf, der Bescheid weiß über ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit – ein Geheimnis, das nie jemand erfahren sollte.

Ganz andere Sorgen hat derweil das Zimmermädchen Marie, das sich in einen Gast des Grand Hotels verliebt und in eine missliche Lage gerät. Wie gut, dass sie auf Bernadettes Hilfe zählen kann! Wohingegen das Verhältnis zwischen Bernadette und ihrer Tochter Josephine mehr als zwiespältig ist. Immer wieder kommt es zum Streit, bis Josephine schließlich Binz verlässt und zu ihrem Bruder in die pulsierende Großstadt zieht. Doch kann Josephine dort glücklich werden und ihre Erfüllung als Künstlerin finden?

Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich mit den Figuren dieses Romans warm geworden bin: Bernadette ist äußerst zielstrebig und ordnet dem Hotel alles andere unter, wodurch sie ziemlich kalt und berechnend wirkt, allerdings ändert sich das im Laufe der Geschichte. Ihre Tochter Josephine hat mich anfangs etwas genervt, weil sie einfach nur naiv, verwöhnt, weltfremd und ichbezogen ist. Es war jedoch spannend, ihre Entwicklung mitzuverfolgen. Ihr Bruder Alexander, ein strammer Nazi und ansonsten ziemlich farblos, blieb mir von Anfang bis Ende relativ gleichgültig, wohingegen ich seinem Bruder Constantin durchaus Sympathien entgegenbringen konnte – was erschreckend ist, denn Constantin ist skrupellos und schreckt auch vor Verbrechen nicht zurück. Er ist sozusagen der „Bad Boy“ der Geschichte, allerdings mit einem „soft spot“, nämlich der Liebe zu seiner Familie.

Ganz anders die herzensgute Marie: Wer könnte sie nicht sympathisch finden? So habe ich mit ihr am ehesten mitgelitten. Allerdings deutet sich auch bei ihr im Laufe der Geschichte eine Entwicklung an, von der ich noch nicht sicher bin, ob sie mir gefällt. Das wird dann hoffentlich der zweite Band zeigen, der im Frühjahr 2021 erscheint. Die politischen Verhältnisse zu dieser Zeit – Deutschland stöhnt unter den Reparationszahlungen nach dem verlorenen Krieg, die Nationalsozialisten erstarken, die Armut im Land ist groß, Korruption und Gewalt sind allgegenwärtig – werden zwar thematisiert, stehen aber nicht im Mittelpunkt des Romans, zumal gerade im Grand Hotel die heile Welt mit aller Kraft aufrecht erhalten wird. Auch hier bin ich neugierig, wie sich die Geschichte im Folgeband weiter entwickelt.

Alles in allem hat mir manchmal das letzte Quäntchen Spannung gefehlt, das einen das Buch nicht mehr weglegen lässt. Dennoch hat mich die Geschichte in ihren Bann gezogen, ich wurde sozusagen angefixt und bin nun sehr gespannt darauf, wie es mit Bernadette, Marie und all den anderen weitergehen mag.

Eine klare Leseempfehlung für alle, die „Babylon Berlin“ mochten oder Fans historischer Ostsee-Romane sind – beide kommen hier voll auf ihre Kosten. Der Roman erscheint offiziell am 2. März, ist aber bereits jetzt überall vorbestellbar.

Übrigens: Caren Benedikt ist das Pseudonym der Autorin Petra Mattfeldt, die auch unter dem Namen Ellin Carsta schreibt. Von ihr habe ich bereits die ersten vier Bände ihrer Hansen-Saga rund um eine Hamburger Kaufmannsdynastie gelesen.