Mathilda oder Irgendwer stirbt immer

Erstellt am 25.3.20. Kategorie: Buchrezensionen
„Mathilda oder Irgendwer stirbt immer“
von Dora Heldt
Bewertung
★★★★★
Verlag dtv
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen März 2020
Seiten 453
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Nachdem die Bücher von Dora Heldt bisher meist in Hamburg, auf Sylt oder Norderney gespielt haben, geht es diesmal in die Provinz. Genauer gesagt in das Dorf Dettebüll, irgendwo hinter Husum in Schleswig-Holstein. Im Buch wird das Dorf so beschrieben: „(…) nur hier, in Dettebüll, passierte nichts. Gar nichts. Man lebte hier unter einer Glocke, die von der restlichen Welt einfach vergessen worden war.“ (Zitat)

Genau hier lebt Mathilda schon ihr ganzes Leben lang. Sie liebt ihr Dorf, ihren Mann Gunnar, ihre Kinder und Enkel, ihren Hund George und das englische Königshaus. Nur ihre Mutter Ilse, die mit ihr und Gunnar gemeinsam unter einem Dach lebt, macht ihr das Leben schwer. Und zwar so richtig: Vor Ilses bösartigen Kommentaren haben Mathildas Kinder schon lange Reißaus genommen und lassen sich nur noch höchst selten im Dorf blicken. Ilse kommandiert Mathilda ständig herum und demütigt sie bei jeder Gelegenheit, doch Mathilda ist zu friedliebend, vielleicht auch zu ängstlich, um sich dagegen aufzulehnen. Stumm und zähneknirschend erträgt sie die dauernden Gemeinheiten ihrer Mutter und träumt nur heimlich davon, wie viel schöner das Leben doch ohne sie wäre.

Und dann ist Ilse eines Tages tot, einfach so vom Stuhl gekippt – woran eine tiefgekühlte Gans nicht ganz unschuldig ist. Doch das weiß niemand außer Mathilda und so wird Ilse beerdigt und es könnte nun endlich wieder Ruhe einkehren im Dorf – wenn da nicht Nachbar Nils und Bürgermeister Harald wären, die sich plötzlich auffällig für die wertlosen Viehweiden der Dorfbewohner interessieren. Was die Dorfbewohner nicht wissen: Die Weiden sollen zu Bauland erklärt werden, was natürlich eine enorme Wertsteigerung mit sich brächte. Deshalb versuchen Nils und Harald, die Grundstücke vorher noch zu Schleuderpreisen selbst zu erwerben, wobei ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen ihnen entsteht.

Ganz andere Sorgen hat derweil Pit, Mathildas Bruder, der in Hamburg eine Kiez-Kneipe betreibt. Ihm fallen zwei Päckchen Kokain buchstäblich vor die Füße. Der Stoff käme ihm gerade recht, um seine finanziellen Schwierigkeiten zu beseitigen. Allerdings gehören die Drogen eigentlich einem skrupellosen Zuhälterboss, also muss ein sicheres Versteck her. Das findet Pit bei seinem alten Kumpel Eddie in Dettebüll. Doch jedes Mal, wenn Pit an das Versteck heran will, kommt jemand oder etwas dazwischen und so verbringt Pit notgedrungen mehr Zeit im Dorf, als ihm lieb ist, denn eigentlich wollte er nie wieder hierher zurück.

Die Ereignisse überschlagen sich, als es zwei weitere Tote gibt, denen eigentlich niemand nachtrauert, schon gar nicht Mathilda, die sich insgeheim auch hier gedacht hat, dass das Dorf ohne die beiden ein sehr viel friedlicherer Ort wäre. Doch plötzlich wird Dettebüll zum Schauplatz von Immobilienspekulationen, Familienzusammenführungen und Bandenkriegen – und Mathilda ist mittendrin…

Nachdem Dora Heldt zuletzt mit ihrem Roman „Drei Frauen am See“ sehr nachdenkliche, tiefgründige Töne angeschlagen hat, geht es nun wieder deutlich skurriler und amüsanter zu. Von Inhalt und Erzählstil her würde ich „Mathilda“ als eine Mischung aus Dora Heldts Klassikern wie „Urlaub mit Papa“ und ihren Krimis wie „Böse Leute“ bezeichnen: Zwar ist „Mathilda“ definitiv kein typischer Krimi, bei der sich Leser und Ermittler auf Tätersuche begeben, aber dennoch gibt es auch hier einige Rätsel, die sich erst am Ende in Wohlgefallen auflösen. Typisch Dora Heldt sind auch bei „Mathilda“ die liebevoll gezeichneten Figuren mit all ihren Schrullen, die so lebendig wirken, als säße der Leser mit am Küchentisch, zum Beispiel, wenn Mathilda und ihre Nachbarin sich dort über Dorfklatsch und Adelshäuser unterhalten oder wenn Mathilda versucht, ihren erwachsenen Sohn über dessen neue Freundin auszuhorchen.

Wie eigentlich bei jedem Buch von Dora Heldt war ich auch diesmal wieder von der ersten Seite an mittendrin im Geschehen, ich musste beim Lesen mehrmals laut lachen und das Beste: In Dettebüll hat man von Corona noch nie was gehört, so konnte ich ein Wochenende lang komplett abtauchen in eine andere Welt. Fazit: Ein wunderbares Buch, um die Welt da draußen für eine Weile vollkommen zu vergessen!
Eine Leseprobe und Infos zur Autorin und ihren weiteren Büchern gibt es auf der Homepage des dtv-Verlages.

 

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(ausführlichere Infos dazu gibt es auch in meinem Beitrag Buchladen statt Amazon)