Nacht über dem Ammersee

Erstellt am 5.6.20. Kategorie: Buchrezensionen
„Nacht über dem Ammersee“
von Inga Persson
Bewertung
★★☆☆☆
Verlag Emons
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen März 2020
Seiten 254
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Letzten Sommer habe ich mit Begeisterung den Krimi „Tod am Ammersee“ gelesen. Es ging darin um die Norddeutsche Carola Witt, die von ihrem Chef, dem Bundestagsabgeordneten Johannes Ludwig, in sein Wahlkreisbüro im bayerischen Weilheim versetzt wird. Dort wird sie unversehens in einen Mordfall entwickelt, parallel dazu entwickelt sich eine etwas komplizierte Liebesgeschichte zwischen Carola und dem Kommissar Lenz Meisinger.

Mir hatte dieser Krimi unter anderem deshalb so gut gefallen, weil er im Milieu der Lokalpolitik spielt, was ich als Lokaljournalistin natürlich besonders spannend fand. Deshalb habe ich mir kurz darauf auch den Nachfolgeband „Rache am Ammersee“ ausgeliehen, den ich allerdings nicht halb so gut fand wie seinen Vorgänger. Nun ist gerade eben der dritte Band erschienen und letztlich war meine Neugier jetzt doch so groß, dass ich dem Krimi eine Chance geben wollte.

Diesmal beginnt die Geschichte besonders gruselig: Als eine junge Kosmetikerin in einer Vollmondnacht an einen abgelegenen Weiher fährt, um dort ihr berühmtes Mondwasser abzufüllen, entdeckt sie im Wasser einen Turnschuh, in dem noch ein abgetrennter Fuß steckt. Bald findet Kommissar Lenz Meisinger heraus, wem der Turnschuh zu Lebzeiten gehörte: Ausgerechnet dem Bauunternehmer Bernd Janokowski, dem neuen Mann von Lenz’ Ex-Frau Bettina.

Wenig später wird an anderer Stelle erneut ein Schuh samt abgetrenntem Fuß darin gefunden. Das Opfer diesmal: Andreas Fuchs, ein Grundstücksbesitzer, der kurz davor stand, auszuwandern. Bald finden Lenz und sein Kollege Franz heraus, was die beiden Opfer verbindet: Beide waren in ein geplantes Geothermieprojekt involviert, das derzeit die Bevölkerung am Ammersee spaltet. Das Projekt ist höchst umstritten, es gibt sowohl Befürworter als auch Gegner: Manche sorgen sich um die Umwelt, andere um den Wert und die Sicherheit ihrer Immobilien, wieder andere um die Verschandelung der Landschaft. Da gibt es einige, die um den Verlust ihrer Heimat, so wie sie sie kennen, fürchten und andere, die den Begriff Heimat allzu eng auslegen.

Carolas Chef, der Bundestagsabgeordnete Johannes Ludwig, steht dem Projekt positiv gegenüber und organisiert eine Podiumsdiskussion, auf der jedoch einige Demonstranten auftauchen. Drohbriefe, die sowohl er als auch die beiden Opfer erhalten haben, nimmt Ludwig nicht ernst. Wohl aber den brutal verwüsteten Garten seiner Frau, ebenfalls ganz offensichtlich eine Drohgebärde. Und dann wird plötzlich auf sein Auto geschossen. Ab sofort steht der Politiker unter Polizeischutz. Doch am Ende ist es Carola, die ihn und viele andere Menschen vor drohender Gefahr rettet.

Leider wollte der Funke bei mir nicht so recht überspringen. Dabei hätte das Thema so viel mehr hergegeben: Politiker, die bedroht werden, umstrittene Projekte, die einen Ort oder eine Region in zwei Lager spalten, Menschen, die es mit der Heimatliebe übertreiben – da hätte es in dem Krimi eigentlich von Motiven und Verdächtigen geradezu wimmeln müssen, doch es bleibt alles irgendwie diffus. Die Kommissare erscheinen gänzlich unmotiviert und dann kommt es leider auch zu zahlreichen Wiederholungen: Denn alles, was die Polizisten ermitteln, erfährt parallel dazu auch Carola auf gänzlich andere Art, etwa bei einer Radltour mit ihren Freundinnen. Leider sprechen Carola und Lenz aber gerade mal wieder nicht miteinander, weil Carola eifersüchtig auf Lenz’ Ex ist, und so tauschen sie auch ihre Erkenntnisse nicht untereinander aus und der Leser bekommt alles doppelt vorgekaut.

Ohne zu viel verraten zu wollen: Der letztliche Täter ist eine Randfigur, die vorher in der Geschichte kaum vorkommt und deshalb auch vollkommen farblos bleibt. Der Leser wird um das Vergnügen gebracht, unter einer Reihe von Verdächtigen auswählen und selber miträtseln zu können. Stattdessen verliert sich die Geschichte in Nebenkriegsschauplätzen, etwa als Carola das Kaltenberger Ritterturnier besucht und sich dort über das Macho-Gehabe der Ritter ärgert.

Ganz interessant fand ich hingegen Carolas Betrachtungen zum Begriff Heimat, der in dieser Geschichte sowohl positiv als auch negativ besetzt wird. Sie selbst ist ganz offensichtlich noch immer nicht ganz angekommen in Bayern: Aufgewachsen in Schleswig-Holstein, dann lange Zeit in Berlin lebend, fremdelt sie noch immer mit ihrem neuen Zuhause. Ich hingegen habe eher mit der Geschichte gefremdelt. Schade, aber ein schöner Ausflug an den Ammersee ist ganz sicher spannender als dieser Krimi.