Das Geheimnis der Themse

Erstellt am 5.2.21. Kategorie: Buchrezensionen
„Das Geheimnis der Themse“
von Susanne Goga
Bewertung
★★★★★
Verlag Diana
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen Februar 2021
Seiten 448
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Vor gut drei Jahren habe ich mit großer Begeisterung den Roman „Das Haus in der Nebelgasse“ von Susanne Goga gelesen, dessen Geschichte in London im Jahr 1900 spielt. Deshalb wurde ich auch gleich hellhörig, als ich erfuhr, dass die Autorin nun einen neuen Roman geschrieben hat, der zur selben Zeit am selben Ort angesiedelt ist. Denn für London schlägt mein Herz ja schon seit vielen Jahren und ich liebe Bücher, die dort spielen.

Auch Betti vom Blog „luckyside“ wollte das Buch gerne lesen und so entschlossen wir uns zu einer gemeinsamen Leserunde. Es handelt sich bei „Das Geheimnis der Themse“ gewissermaßen um eine Fortsetzung: Vor sieben Jahren erschien „Der verbotene Fluss“ und in diesem Roman wird das Kennenlernen von Journalist Tom und Gouvernante Charlotte geschildert. Es macht aber rein gar nichts, wenn man (wie ich) dieses Buch nicht kennt, denn der jetzt neu erschienene Roman ist eine komplett eigenständige Geschichte, ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass mir irgendwelches Vorwissen fehlt.

Der Roman spielt im Jahre 1894 in London. Tom und Charlotte sind mittlerweile seit zwei Jahren verheiratet, doch der erhoffte Nachwuchs will sich nicht einstellen. Die Kinderlosigkeit wird zunehmend zum Problem, über das Charlotte und Tom nicht miteinander reden können. Dazu kommen die neugierigen und respektlosen Nachfragen, z.B. von der Nachbarin. In der damaligen Zeit war es ein großer Makel, wenn eine Frau keine Kinder bekommen konnte und selbstredend war das natürlich ihre Schuld, nicht die Schuld des Mannes.

Parallel wird die Geschichte von Alfie erzählt, einem verwaisten und obdachlosen Jungen, der sich als Strandsucher („mudlark“) durchschlägt, d.h. er sucht bei Ebbe die Ufer der Themse nach Schätzen ab, die dort angespült wurden und die er verkaufen kann. Doch eines Tages findet er stattdessen eine tote Frau und nicht weit von ihr Kerzenstummel im Sand. Bei der Toten handelt es sich um Julia Danby und ihre Eltern sind verständlicherweise außer sich vor Kummer.

Derweil erhält Tom vom Verleger Jellicoe das Angebot, ein Buch über die Geschichte der Magie in London zu schreiben, gewissermaßen eine Art magischen Atlas. Tom zögert zunächst, es ist das Zeitalter der Industrialisierung und Wissenschaft, viele wichtige Erfindungen werden gerade gemacht, die Welt verändert sich und Tom ist ein rationaler Mensch, dem aller „Hokuspokus“ fremd ist. Aber Charlotte kann ihm bei der Recherche helfen, darüber kommen die beiden sich endlich wieder näher.

Charlotte stößt bei ihren Recherchen auf eine alte Münze, die, wie sich herausstellt, römischen Ursprungs ist und die Göttin Isis zeigt. Isis wird oft als Schutzherrin aller Wesen beschrieben, die leiden oder in großer Sorge sind. Sie gilt als mütterliche Göttin, aber auch als Göttin der Magie und des Flusses. So heißt die Themse z.B. in Oxford auch Isis. Außerdem findet Charlotte bei ihren Streifzügen mehrmals Kerzenreste, die in einem bestimmten Muster am Boden angeordnet sind, immer in der Nähe der Themse. Was hat es damit auf sich?

Auch Tom stößt bei seinen Nachforschungen immer wieder auf Verbindungen zur Themse. Außerdem trifft er Alfie und erfährt so von dem Leichenfund. Als Alfie schwer krank wird, nimmt Tom ihn kurzerhand mit nach Hause, wo Charlotte den Jungen gesund pflegt. So lernt sie auch Mrs. Danby, die Mutter der toten Julia, kennen. Die kann sich mit dem Tod ihrer Tochter nicht abfinden und beginnt, Nachforschungen anzustellen. In Julias Zimmer findet sie seltsame Gegenstände, die auf die Göttin Isis hinweisen. Charlotte verspricht, sie bei der Suche zu unterstützen, nicht ahnend, dass sie sich dabei in große Gefahr begibt. Denn Julia gehörte einem geheimen Orden an, der die Göttin Isis verehrt, und dieser Orden mag keine Mitwisser…

Ich fand die Geschichte von Anfang an sehr spannend, aber auch sehr komplex. Neben den hier genannten Personen kommen noch etliche weitere in dem Roman vor, die Kapitel werden immer abwechselnd aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und es dauert eine Weile, bis man versteht, wie alles miteinander zusammenhängt. Aber genau das macht es ja so spannend und je weiter ich kam, umso weniger konnte ich das Buch weglegen, denn ich wollte unbedingt dem Rätsel auf die Spur kommen. Bei manchen Personen hegte ich von Anfang an ein gewisses Misstrauen, bei anderen wiederum war ich vollkommen ahnungslos, so hielt die Geschichte für mich auf jeden Fall einige Überraschungen parat.

Schön war natürlich, auf diese Weise mal wieder in London unterwegs zu sein. Und genau wie in „Das Haus in der Nebelgasse“ habe ich bei der Lektüre wieder viel Neues über diese spannende Stadt erfahren, diesmal vor allem über die etwas mystische Seite, über die Bedeutung des Flusses und auch über die verschiedenen Orden und Geheimbünde, die es damals tatsächlich in London gab. Zwar ist der spezielle Orden dieses Romans fiktiv, viele seiner Riten und Symbole aber nicht, wie die Autorin im Nachwort erläutert. Etliche Orden sind historisch belegt, ebenso wie zahlreiche bekannte Persönlichkeiten, die diesen Orden angehörten. Wie eingangs schon erwähnt: Es war das Zeitalter der Industrialisierung, des Fortschritts und das machte wohl vielen Menschen Angst, weil sie sich in ihrer gewohnten Welt nicht mehr zurecht fanden. Deshalb suchten sie Zuflucht in Geheimbünden, deren Exklusivität sicher noch einen zusätzlichen Reiz ausübte. Ich finde, da kann man durchaus auch einige Parallelen zur Gegenwart ziehen…

Alles in allem hat mir der Roman wunderbare Lesestunden bereitet und ich habe nun Lust bekommen, auch die Vorgeschichte „Der verbotene Fluss“ zu lesen. Außerdem würde ich gerne wissen, wie es mit Tom und Charlotte weitergeht, ich finde, ihre Geschichte ist noch lange nicht zu Ende erzählt.

Die Rezension von Betti gibt es am Sonntag auf ihrem Blog. Hier noch ein paar Fotos aus meinem letzten London-Urlaub, die gut zu der Geschichte passen: