Die Hafenärztin 3

Erstellt am 22.11.22. Kategorie: Buchrezensionen
„Die Hafenärztin 3“
von Henrike Engel
Bewertung
★★★★★
Verlag Ullstein
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen November 2022
Seiten 480
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Ich habe in diesem Jahr schon mit großer Begeisterung die ersten beiden Teile der Hafenärztin-Saga von Henrike Engel gelesen, nun endlich erscheint der mit Spannung erwartete dritte Teil, den ich dank Vorablesen.de schon einige Tage vor dem offiziellen Erscheinungstermin lesen durfte. Darin wird das Schicksal der Ärztin Anne Fitzpatrick und der Pastorentochter Helene Curtius in Hamburg im Jahr 1911 weitererzählt.

Wobei: Anne heißt eigentlich gar nicht Fitzpatrick, sondern van der Zwaan mit Nachnamen. Einst war sie unter falschem Namen von London nach Hamburg geflüchtet, um hier ein neues Leben zu beginnen. Nun endlich gelingt es ihr, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen, als sie sich selbst der Londoner Polizei stellt, und sie kann befreit nach Hamburg zurückkehren. Denn inzwischen hat sie in der Hansestadt Freunde gefunden, hier hat sie ihre Arbeit und ihr soziales Engagement – und vor allem ist sie weit weg von ihrem einflussreichen Vater und dessen zwielichtigen Geschäften, denkt sie.

Doch längst hat ihr Vater seine Fühler wieder nach Hamburg ausgestreckt. Hier war er einst ein erfolgreicher Reeder, der dann aber von den „Pfeffersäcken“ mit Schimpf und Schande davon gejagt wurde, wofür er sich rächen möchte und dafür ist ihm jedes Mittel recht. Mit wachsendem Entsetzen muss Anne erkennen, dass ihr Vater ein Krimineller ist, der vor keinem Verbrechen zurückschreckt. Hat er seine Finger auch beim Mord an einer chinesischen Prostituierten im Spiel?

Immer häufiger hat Anne es in ihrer Praxis mit jungen Chinesinnen zu tun, die gegen ihren Willen nach Hamburg verschleppt wurden. Viele von ihnen landen im Bordell, wenn sie nicht vom Frauenverein frei gekauft werden können. In der Hamburger Schmuckstraße nahe der Reeperbahn ist ein richtiges Chinesenviertel entstanden, doch von dem grausamen Mord im Bordell scheint niemand etwas bemerkt zu haben. Alle hier haben Angst vor dem mächtigen Sun Bo, der überall Einfluss nimmt, dem man aber offiziell nichts anhaben kann.

Kommissar Berthold Rheydt leitet die Ermittlungen, doch diesmal ist er mit seinen Gedanken nicht immer bei der Sache, denn zwischen ihm und Helene Curtius entwickelt sich eine innige Liebesbeziehung. Dafür muss Helene allerdings ihre ehrgeizigen beruflichen Pläne aufgeben. Denn eigentlich wollte sie immer berufstätig und von einem Ehemann unabhängig sein und hat deshalb den Beruf einer Lehrerin ergriffen, doch Lehrerinnen dürfen im Kaiserreich nicht verheiratet sein (eine Tatsache, von der ich erst im Roman „Wir nannten es Freiheit“ von Silke Schütze erfahren habe).

Helene beobachtet außerdem mit Staunen die Veränderungen in der Ehe ihrer Eltern. Ihre einst so depressive Mutter blüht förmlich auf, während ihr strenger Vater spürbar an Einfluss über seine Familie verliert. Dabei spielt auch Helenes Bruder Klaus eine wichtige Rolle, der einst aus dem engen Korsett des Pastorenhaushalts geflohen und nach Havanna ausgewandert ist. Und dann ist da auch noch Helenes Freundin Paulina, die von ihrem frisch angetrauten Ehemann misshandelt wird, was 1911 noch keine Straftat ist, von Helene aber nichtsdestotrotz nicht hingenommen wird.

Inzwischen findet Rheydt heraus, dass es sich beim Mörder der Prostituierten um den gefürchteten Hafenmörder handelt, der schon in Band 1 sein Unwesen getrieben hat und Rheydt damals nur knapp entkommen ist. Nun ist der skrupellose gewalttätige Hafenmörder zurück und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt…

Dieser Roman ist eigentlich mehr ein Krimi mit akribischer Spurensuche, dramatischen Verfolgungsjagden, falschen Fährten, zwielichtigen Verdächtigen und Helfershelfern. Kein Wunder also, dass ich das Buch kaum mehr weglegen konnte, mitgefiebert und mitgelitten habe und mich dann doch vor dem Ende der Geschichte gefürchtet habe, weil ich eigentlich gar nicht wollte, dass das Buch zu Ende geht. Die gute Nachricht: Es wird im nächsten Jahr einen vierten Teil geben! Denn längst nicht alle Handlungsstränge sind am Schluss von Band 3 auch wirklich zu Ende erzählt, viele Fragen bleiben offen und ich will unbedingt wissen, wie es mit Anne, Helene, Paulina und all den anderen Figuren weitergeht.

Bei der Rezension zu Teil 2 hatte ich geschrieben, dass man diesen auch gut lesen kann, wenn man Teil 1 nicht kennt. Das ist hier definitiv nicht der Fall. Man sollte den ersten Teil der Reihe unbedingt kennen, um die Zusammenhänge zu verstehen, vor allem hinsichtlich des Hafenmörders und Annes Vergangenheit.

Ganz kleiner Malus: Ich finde die Untertitel dieser Buchreihe entsetzlich kitschig. Bei Teil 3 lautet dieser „Ein Leben für das Recht auf Liebe“, was inhaltlich durchaus seine Berechtigung hat, aber trotzdem leider sehr schnulzig klingt und dem spannenden Roman meiner Meinung nach überhaupt nicht gerecht wird. Deshalb: Untertitel einfach ignorieren und die Geschichte genießen.

[Werbung, unbezahlt] [Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]