Agnes geht

Erstellt am 15.5.23. Kategorie: Buchrezensionen
„Agnes geht“
von Katja Keweritsch
Bewertung
★★★★★
Verlag Diana
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen März 2023
Seiten 400
Erhältlich beigenialokal.de (Affiliate-Link, siehe Infos hier)

Auch dieses Buch war im Lit.Love-Bloggerpaket enthalten, das ich kurz vor der Leipziger Buchmesse erhalten habe. Schon den Klappentext fand ich sehr interessant, auf der Buchmesse selbst erlebte ich die Autorin dann zusammen mit Svenja Lassen („Muschelträume“) im Talk „Der Weg ist das Ziel“ und dieser Talk hat mir noch mehr Lust darauf gemacht, das Buch zu lesen.

Es geht darin um Agnes, 40, „Nur-Hausfrau“, und beginnt mit dem wundervollen Satz: „Der Tag, an dem Agnes in die Schule einbrach, war ein Donnerstag.“ Warum sie in die Schule einbrach, verrate ich hier nicht, nur so viel: Diese Szene ist typisch für Agnes, die für ihre Familie alles tut, ohne dass es ihr gedankt wird. Doch dann kommt es eines Tages zu einem extrem häßlichen, verletzenden Streit mit ihrem Mann Tom und Agnes läuft wütend davon. Um nichts in der Welt will sie zurück nach Hause und so tun, als sei nichts passiert. Also läuft sie einfach los, quer durch Hamburg, an der Elbe entlang, immer weiter in Richtung Berlin. Sie hofft, dabei zurück zu sich selbst zu finden: Was ist aus der Agnes von einst geworden, der unbeschwerten, fröhlichen Agnes, die Biologie studiert hat und zusammen mit Tom so viele Pläne geschmiedet hat? Wann sind ihre Träume von damals auf der Strecke geblieben?

Parallel dazu wird die Geschichte aus Toms Perspektive erzählt, der plötzlich allein mit den zwei pubertierenden Kindern in Hamburg zurückbleibt. Auch er denkt voller Sehnsucht an unbeschwertere Zeiten zurück, als auf ihm noch nicht die Verantwortung für seine Familie lastete. Anfangs sind sowohl Tom als auch Agnes sauer aufeinander, doch je mehr Zeit vergeht, desto mehr verschieben sich die Blickwinkel. Doch dann lernt Agnes unterwegs einen anderen Mann kennen, der sie begehrenswert und schön findet, der nichts von ihr fordert, sondern sie vielmehr verwöhnt, wie es Tom schon lange nicht mehr gemacht hat. Bedeutet das das Ende für Agnes’ Ehe?

Das große Thema dieses Romans ist das ewige Dilemma der Frau: der Spagat zwischen Selbstverwirklichung und Aufopferung für die Familie, zwischen daheim bleiben und arbeiten gehen. Der ewige Frust über die mangelnde Anerkennung der sog. Care-Arbeit für die Familie hat sich in Agnes über Jahre angestaut und bricht sich nun Bahn. Schön finde ich aber, dass auch Toms Sichtweise erzählt wird und dass der Roman jenseits aller Rollenklischees mit so mancher unerwarteter Wendung aufwartet.

Ähnlich wie die Protagonistin Nora in „Muschelträume“ erhofft sich auch Agnes von ihrer Wanderung Klarheit und Antworten auf ihre unzähligen Fragen, denn „wenn nichts mehr geht, geht gehen“ (Zitat). Doch dieser innere Weg ist mindestens so steinig und beschwerlich wie der Weg entlang der Elbe, vom Regen durchnässt und mit Blasen an den Füßen. Und dann passiert etwas Unvorhergesehenes, das Agnes ohne Zögern nach Hamburg zurückkehren lässt. Gelingt es ihr trotzdem, die Weichen für ihr Leben neu zu stellen?

Auch wenn ich mich nicht immer mit Agnes identifizieren konnte, kamen mir viele der geschilderten Szenen doch durchaus bekannt vor. Ihre Wut und Trauer konnte ich gut nachempfinden, auch das Ende war aus meiner Sicht sehr stimmig. Ein Roman, der zum Nachdenken anregt und bei mir noch lange nachgewirkt hat.

[Werbung, unbezahlt] [Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]