Die Villa an der Elbe

Erstellt am 13.8.21. Kategorie: Buchrezensionen
„Die Villa an der Elbe“
von Linda Belago
Bewertung
★★★☆☆
Verlag Mira Taschenbuch
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen Dezember 2018
Seiten 299
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Hamburg, 2017: Nach dem Tod seines Vaters übernimmt Jonas Clausen die Leitung der alteingesessenen Reederei, die sich seit über einem Jahrhundert in Familienbesitz befindet. Leider muss er bald feststellen, dass der Firma die Insolvenz droht. Bei der Durchsicht der Unterlagen stößt er auf ein altes Dokument. Demnach hat seine Ururgroßmutter Anni zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Depot eingerichtet zugunsten einer gewissen Clara Hauser. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei dieser Clara um ein ehemaliges Dienstmädchen. Die näheren Zusammenhänge sind für Jonas nicht ersichtlich, aber ihm ist klar, dass dieses Depot, das mittlerweile einen Wert von über einer Million Dollar hat, seine Rettung sein könnte.

Zur selben Zeit erfährt auch Amely in New York von dem Depot. Clara war ihre Ururgroßmutter und Amelys Mutter hat beim Aufräumen auf dem Dachboden eine Kiste mit alten Unterlagen und Rezepten gefunden. Darunter war auch der Depotschein. Auch für Amely käme dieser Geldsegen gerade recht, denn sie plant, sich mit einem Cateringservice selbstständig zu machen. Doch ihr fehlt eine Identifikationsnummer, mit der sie Zugriff auf das Depot bekäme, und ihre Suche danach bleibt ergebnislos.

New York, 1900: Die „Kaiser Wilhelm der Große“, eines der größten und bedeutendsten Dampfschiffe der Welt und der Stolz des Norddeutschen Lloyd, ist auf dem Weg von Bremerhaven nach New York. Mit an Bord sind die Reedereifamilie Clausen und der Schiffsingenieur van der Haard mit seiner Frau und den Töchtern Anni und Helena. Die 17-jährige Helena soll an Bord ihre Verlobung mit dem Reederssohn Gustav Clausen feiern. Die Heirat wurde von den Familien arrangiert und Helena graut es davor, doch sie hat keine Wahl.

In New York angekommen, passiert jedoch ein schreckliches Unglück: Am Pier von Hoboken bricht ein Feuer aus, das mehrere Schiffe und Teile der Hafenanlagen restlos zerstört, es sind unzählige Tote zu beklagen. Wie durch ein Wunder überlebt die Familie Clausen ebenso wie die Familie van der Haard – bis auf Tochter Helena. Von ihr und ihrem Dienstmädchen Clara fehlt jede Spur. Nach Tagen verzweifelter Suche kehren die Familien schließlich nach Deutschland zurück. Nur Anni ist überzeugt davon, dass ihre große Schwester noch am Leben ist.

Viele Jahre später entdeckt Anni, mittlerweile die Frau von Gustavs jüngerem Bruder Albert und angesehenes Mitglied der Hamburger Gesellschaft, in einer Zeitung ein Foto, auf dem sie ihre Schwester wiedererkennt. Doch kann das wirklich sein? Und warum steht ein anderer Name unter dem Foto?

Aus wechselnden Perspektiven – Jonas, Amely, Helena und Anni – wird hier eine spannende Geschichte rund um ein tatsächliches Unglück, nämlich den Brand von Hoboken, erzählt. Und so sehr ich einerseits mitgefiebert habe, so sehr hat die Lektüre andererseits auch meinen Unmut erregt: Da sind zum einen in der eBook-Version, die ich gelesen habe, unzählige Schreibfehler, es wird wild zwischen Vergangenheitsform und Gegenwart gewechselt, oft mitten in einem Satz, und vor allem gibt es mehrere logische Fehler und falsche Daten. So ist Helena im Jahre 1900 17 Jahre alt, im Jahr 1909 jedoch schon 32 und hat zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre bei einer Textilfabrik in New York gearbeitet – hä?

Okay, damit habe ich nun verraten, dass Helena den Brand überlebt hat. Wie es ihr daraufhin weiter ergangen ist, ist wirklich spannend zu lesen, trotz der oben genannten Unstimmigkeiten. Leider wird das Schicksal ihrer jüngeren Schwester Anni hingegen nur oberflächlich erzählt. Manche Kapitel gehen durchaus intensiv auf sie ein, während im nächsten Kapitel ihr Leben nur schnell, schnell abgehandelt wird.

Ähnlich ist es beim Erzählstrang in der Gegenwart: In Jonas konnte ich mich noch ganz gut hineinversetzen, Amely hingegen blieb mir fremd. Und zu dem Zeitpunkt, als die beiden sich treffen und das Rätsel um das Depot und ihre gemeinsame Familiengeschichte lösen, ist das Buch quasi schon zu Ende, die Auflösung wird sehr kurz und oberflächlich erzählt, als hätte die Autorin keine Zeit mehr gehabt, diesen Teil der Handlung genauer auszuführen.

Der Titel „Die Villa an der Elbe“ ist irreführend, weil die Villa in Blankenese, in der die Familie Clausen lebt, nur am Rande eine Rolle spielt. Der weitaus größere Teil der Handlung spielt in New York. Ich hätte mir am Ende des Buches außerdem ein paar Erläuterungen zu dem Brand von Hoboken gewünscht, stattdessen hab ich darüber nun auf Wikipedia gelesen und dabei festgestellt, dass auch hier das im Buch angegebene Datum leider nicht stimmt.

Desweiteren hätte ich mir am Ende des Buches eine Ahnentafel gewünscht, weil es bei so vielen Generationen der Familie Clausen zuweilen etwas unübersichtlich wird und die Autorin auch hier fälschlicherweise so manches Mal von Großmutter oder Urgroßmutter schreibt, wenn eigentlich die Ururgroßmutter gemeint ist, was für zusätzliche Verwirrung sorgt. Andererseits könnte eine Ahnentafel gewissermaßen auch einen Spoiler für die Geschichte darstellen, aber am Ende des Buches im Anhang hätte ich das vertretbar gefunden.

Wie auch immer, bei diesem Roman gibt es leider eine ganze Reihe an Mängeln. Dass ich dennoch 3 Sterne vergebe, liegt in erster Linie an der Lebensgeschichte von Helena, die trotz einiger falscher Daten spannend erzählt wurde.