Achtsam morden

Erstellt am 13.5.20. Kategorie: Buchrezensionen
„Achtsam morden“
von Karsten Dusse
Bewertung
★★★★★
Verlag Heyne
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen Juni 2019
Seiten 416
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Seit Literaturexpertin Ulrike Wolz im vergangenen November dieses Buch empfohlen hatte, stand es bei mir auf der Wunschliste, nun bin ich endlich dazu gekommen, es zu lesen – gottseidank, denn es hat mir wahrhaft vergnügliche Lesestunden beschert!

Björn Diemel ist von Beruf Strafverteidiger und in einer renommierten Kanzlei zuständig für die sogenannten Bäh-Fälle, das heißt, seine Aufgabe ist es, hochkriminelle Verbrecher vor Gericht zu vertreten und rauszupauken. Sein Hauptmandant ist Dragan Sergowicz, Chef eines Mafia-Clans, der zuverlässig dafür sorgt, dass Björn die Arbeit nie ausgeht. Dafür wird Björn mit Firmenwagen und gutem Gehalt bestens entlohnt, doch das Ganze hat seinen Preis: Für seine Frau Katharina und seine kleine Tochter Emily hat er so gut wie gar keine Zeit mehr und der Stress sorgt für Magenschmerzen und Nackenverspannungen.

Irgendwann setzt seine Frau ihm sprichwörtlich die Pistole auf die Brust: Entweder Björn absolviert ein Achtsamkeitstraining oder sie lässt sich scheiden und Björn sieht seine Tochter nie wieder. Also begibt sich Björn in die Praxis von Joschka Breitner, Achtsamkeitscoach und Autor des Werkes „Entschleunigt auf der Überholspur – Achtsamkeit für Führungskräfte.“ Trotz anfänglicher Skepsis merkt Björn schon bald, dass ihm die Übungen gut tun. Er schafft sich selbst Zeitinseln, in denen er sich ganz bewusst Zeit für seine geliebte kleine Emily nimmt und die Arbeit Arbeit sein lässt.

Das klappt so lange, bis er mit Emily ein Wochenende in einem Haus am See plant. Katharina hat Bedenken und droht erneut, ihm Emily zu entziehen, sollte bei diesem Vater-Tochter-Wochenende etwas schiefgehen. Und dann droht tatsächlich alles aus dem Ruder zu laufen: Dragan tappt in eine Falle, es kommt zu zwei spektakulären Morden inklusive Handgranatenexplosion. Dumm nur, dass ein ganzer Bus voller Schulkinder unfreiwillig Zeuge dieser Gewalttaten wird, folglich existieren jede Menge Handyvideos davon, die sich in Nullkommanichts verbreiten. Ganz klar: Dragan muss untertauchen, sofort, und Björn soll ihm dabei helfen, sonst ist er ein toter Mann und auch Emily würde das nicht überleben.

Was bleibt Björn also übrig, als Dragan zu helfen? Fürs Erste versteckt er ihn im Kofferraum und fährt dann wie geplant mit Emily an den See. Was folgt, ist so abstrus wie amüsant. Denn der erste Mord – ganz achtsam und entschleunigt begangen – zieht jede Menge Vertuschungsmanöver und auch fast ein halbes Dutzend weiterer Morde nach sich. Ehe Björn sich versieht, wird er an Dragans Stelle zum Clan-Chef und muss einen drohenden Bandenkrieg mit Dragans Widersacher ebenso abwehren wie die Ermittlungen der Polizei.

Was der Kindergarten „Wie ein Fisch im Wasser“, McDonalds und ein geplantes Edelbordell damit zu tun haben, das lest Ihr am besten selbst. So makaber es klingt: Trotz einiger sehr brutaler Szenen habe ich mich beim Lesen wirklich bestens amüsiert. Es ist einfach herrlich zu lesen, wie Björn die Empfehlungen seines Achtsamkeits-Ratgebers umsetzt und darin tatsächlich ganz wunderbare Ratschläge für sein weiteres kriminelles Vorgehen findet. Doch auch wer nicht vorhat, einen Mord zu begehen oder einen Mafia-Clan zu führen, kann hier einiges lernen. Denn jedem Kapitel ist ein Aspekt aus dem Achtsamkeits-Ratgeber vorangestellt. Es geht dabei um Basiswissen über Achtsamkeit, um bewusstes Atmen, digitales Fasten, um wertungsfreie Wahrnehmung, den Umgang mit Zeitdruck oder Panik, um Kommunikation oder das In-sich-hinein-Lächeln. Vor allem letzteres habe ich beim Lesen immer wieder praktiziert.

Fazit: Eine skurrile Geschichte voll schwarzen Humors, die sich sehr vergnüglich liest und Lust auf mehr macht. Soeben ist der Nachfolgeband „Das Kind in mir will achtsam morden“ erschienen, den ich nun unbedingt auch noch lesen muss – ganz entschleunigt natürlich.

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